Leben am Limit!?

SOZIALE BAUKULTUR IN KLAGENFURT

Bei herbstlichen Wetterverhältnissen erkundeten wir die Stadt Klagenfurt auf der Suche nach positiven Beispielen von „Sozialer Baukultur“.

Wie steht es um das soziale Bauen in Klagenfurt? Was sind die Beweggründe sich für den geförderten Wohnbau zu engagieren und welche Protagonisten wirken zusammen um hochkarätige Projekte Wirklichkeit werden zu lassen? Vor dem Architekturhaus begannen wir unsere Exkursion und radelten entspannt in das Stadtrandgebiet Harbach.

Das Projekt „hi Harbach“ zeigt einen weitreichenden gesamtheitlichen sozialen Ansatz. Erstmalig wird hier ein städtebauliches Gesamtprojekt entwickelt und großräumig gedacht. Das positive Beispiel für eine ganzheitliche Stadtteilentwicklung gründet sich auf drei wesentlichen Säulen.

„Der Stadtraum und die Architektur werden über eine große zusammenhängende Fläche gedacht, sollen eine übergeordnete Architektursprache erhalten und hochwertige Außen/Zwischen als auch Innenräume anbieten,“ erläutert Architekt Wetschko, der den Wettbewerb zur Erstellung des Masterplanes gewinnen konnte und auch die erste Baustufe in die Umsetzung begleiten wird.

„Neben groß angelegten Forschungsprojekten „Green for Cities“ als auch „Smart City Projekt Harbach“ arbeiten hier Stadt, Land, Architekten, Landschaftsplaner, Forschungseinrichtungen und die Diakonie in perfekter Abstimmung und konnten hier in den letzten zwei Jahren einen gesamtheitlichen und zukunftsweisenden Projektansatz erarbeiten;“ erklärt Mag. Angelika Fritzl, Leiterin der Abteilung Wohnbauförderung im Land Kärnten.

Eine Sozialraumentwicklung wird ebenfalls mitgedacht und soll neben einem hohen Maß an sozialer Durchmischung im Wohngebiet auch für unterschiedlichste NutzerInnengruppen Platz bieten und die künftigen BewohnerInnen darin bestärken, Selbsthilfe und Nachbarschaftshilfe zu entwickeln und zu fördern. „Es geht dabei auch um Aneignungsprozesse, Partizipation und Mitgestaltungsmöglichkeiten, positiv zu fördern und zu unterstützen“, unterstreicht Christan Probst, Leiter der Bauabteilung bei der Diakonie. Hier soll auch erstmals ein „Kümmerer“ eingesetzt werden, der als Ansprechperson, Mediator und Koordinator Vorort fungiert und für das Miteinander wichtige Impulse setzten soll.

Auch der Mittagstisch der Diakonie soll vom Gebäudebestand in die neu entstehende öffentliche Erdgeschosszone neben der bestehenden Baumallee wechseln und ein Ort der Kommunikation und Inklusion im Quartier werden. Das Vorzeigeprojekt soll auch darüber hinaus zu einer generellen Verbesserung der Infrastruktur im Stadtteil St. Peter und Fischl werden und diese auch miteinander verknüpfen. Der lebendige Prozess wird parallel auch von der IARA Forschungsgesellschaft der FH Kärnten wissenschaftlich bergleitet.

Ein Quartier am Puls der Zeit wird hier entwickelt. Von und mit den künftigen Nutzern stellt es ein positives Beispiel dar und wird als Vorzeigeprojekt viele Prozesse in Kärnten neu definieren.

Nächste Station: Neues Wohnen an der Glan, Mühlgang

„Vor die Tür treten und die Wohnung geht weiter- die Zonen der Erschließung und Innenhöfe werden zu erlebbaren Außenräumen, die ständig bespielt werden können und als erweiterte Wohnfläche fungieren sollen“, beschreibt Architektin Eva Rubin die Schwellen und Übergangsräume, die dieses Projekt ganz besonders auszeichnen. Gerade diese Zonen werden bei gegenwärtigen Projekten als reine Erschleissungsflächen betrachtet und bieten kaum Möglichkeiten für Kommunikation und Aneignung. Ganz anders bei diesem feinfühligen Wohnprojekt, dass eine Reihe von spannenden Außen- und Zwischenräumen bietet, die allesamt zum Verweilen einladen. Trotz schlechter Witterungsverhältnisse besticht der überdachte Kinderspielplatz mit Spielgeräten und Echtholzmöbeln. Das Spannende an dieser Aufgabe ist für die Architektin neben der hohen Verantwortung für die Bauaufgabe und die späteren NutzerInnen, der gesamtheitliche Ansatz.

Wie sollen Menschen zusammenleben, welche Möglichkeiten sollen ihnen diese Räume und Orte der Wohnanlage bieten und was kann die Architektur positives für das Zusammenleben von Menschen leisten. Sie unterstreicht mehrmalig, welche große Auswirkung das Wohnen auf die Entwicklung der Menschen hat und welche hohe Verantwortung der Entscheidung ArchitektInnen tragen, wenn sie über den fixen Betrag der zugewiesenen Wohnbauförderung entscheiden müssen. Wo setze ich welche Mittel ein und zu welchem Zweck. Hier zeigt sich vielfach auch die architektonische- soziale Weltanschauung der Architekten- wie viel wird in ein Fassadedetail investiert und was wird im Gegensatz für die Behaglichkeit und die Qualitäten der Materialien und Räume im Inneren investiert.

Tief beeindruckt vom gebauten und realen, sozialen Gedanken, der die Siedlung prägt, steuern wir weiter und erreichen die Siebenhügelsiedlung in Waidmannsdorf. Hier erleben wir ein in die Jahre gekommenes Wohnquartier der Stadt Klagenfurt. Als permanente Wohnstätte aus Mitteln der Flüchtlingshilfe errichtet, blickt die Siedlung die ursprünglich als Holzbarackensiedlung nach dem zweiten Weltkrieg errichtet wurde, auf eine weite Geschichte zurück.

Wie also mit dem vorhandenen sensiblen sozialen als auch gebauten Raum umgehen, waren Fragen, die sich die Fachhochschule Kärnten im Studienprojekt „Leben am Limit!?“ gestellt hat.

Der Ansatz eine Kooperation zu bilden, bei dem die Studiengänge Architektur und Disabilitiy & Diversity Studies gemeinsam ein Projekt entwickeln war gewinnbringend und ermöglichte einen Blick tief in die sozialen Grundbedürfnisse und Beweggründe für die Bewohnerinnen und ermöglichte somit eine konkrete Erarbeitung von Lösungsansätzen.

Was ist den Menschen wichtig? - Was fehlt ihnen und worauf legen sie besonderen Wert? Für welche Baumaßnahmen wären sie bereit auch eine geringfügig steigende Miete zu akzeptieren? Das waren nur einige wenige Fragestellungen die in das Studienprojekt einflossen und als Grundlagenarbeit für die Stadt erarbeitet wurde. Darüber hinaus informierten die beiden angehenden Absolventen Anna Werner und Tobias Küke vom Studiengang Architektur an der FH Kärnten über ein interdisziplinäres Kunstprojekt, welches im Schwerpunkjahr Kunst im öffentlichen Raum vom Land Kärnten unterstützt wird. Es bearbeiten sechs interdisziplinäre Absolventen der Studienrichtungen Architektur (FH Kärnten), Ortsbezogene Kunst und Sozial Design (die Angewandte Wien).

Ihre Vorgabe war lediglich ein gemeinsames Kunstprojekt zu entwickeln. Im ersten Schritt entschieden sich die Künstler dafür, vorerst jene Menschen kennen lernen zu wollen, bevor sie konkrete Vorschläge für die Wohnanlage machen wollten. Für die erste Aktion bespielten sie eine momentan leerstehende Wohnung der Stadt und luden alle BewohnerInnen der Anlage zu einem gemeinsamen Abendessen ein. Fehlende Lebensmittel und Möbelstücke wurden geborgt und veredelt wieder an die Anrainer zurückgegeben. „So entsteht eine erste Nähe zur Bevölkerung und eine gewisse Vertrauensbasis auf der wir aufbauen wollen“, erklärt Anna Werner den Prozess und stellt bereits die nächste künstlerische Aktion in Aussicht, die noch im Oktober stattfinden wird.

Der spannende Ansatz Kunst und Kultur als Brücke zwischen Fiktion und Wirklichkeit werden zu lassen und darüber hinaus einen sozialen und gemeinschaftsbildenden Impuls zu setzen, bewegte die Exkursionsteilnehmer sichtlich und beim gemeinsamen Mittagstisch beim Stadionwirt wurden bereits Ideen geäußert, wie dieses Projekt weitergehen könnte und was es alles bewirken kann.

Eine spannende und komplexe Kultur-Rad-Tour geht zu Ende und ich bedanke mich herzlich für die vielen TeilnehmerInnen und freue mich schon auf eine baldige Fortsetzung. (Text: DI Elias Molitschnig;  Klagenfurt am 30.09.2017)