ABBA
Über Retrobadehäuser aus „besseren“ Zeiten an den Kärntner Seen.
Rückständig?
Nein, wir nicht! Wir haben unsere eigene Kultur – sind Kinder unserer Zeit, haben eigene Ideen entwickelt, und formen unsere Umwelt auf unsere ganz persönliche Weise: Das Antlitz unserer Zeit!
Mir san mir!
ABBA warum sieht das I-Phone so aus wie ein gezoomter Toaster aus den 50ern? –Reiner Zufall.
ABBA warum überholt mich auf der A10 ein Minicooper aus den 70ern mit 180 Sachen – im Windschatten eines getunten Fiat 500 aus den 50ern? – Nur ein Traum im Sekundenschlaf?!
ABBA warum muss ich in der Zeitung unlängst neu geplante Badehäuser von längst verstorbenen Wörtherseearchitekten aus der verletzten Jahrhundertwende entdecken? Inkarnation?
Nein: weil es noch eine Hand voll ehrlicher, aufrichtiger (gehört fleißig auch in diese Aufzählung?) Architekten gibt, die zugeben, dass ihnen bis heute nichts Besseres eingefallen ist!
ABBA es gäbe doch auch Architekten, die zwar auch aufrichtig, ehrlich, usw. sind, denen aber ihre Zeitgenossen und was diese so treiben: wie sie wohnen, wie sie leben + lieben + sterben ein Anliegen sind. Die mit ihrer Architektur ihre Zeit interpretieren können. Weil jede Zeit ihre eigenen Ansprüche hat. Wie auch jeder Ort seine Ansprüche stellt, die sich in der Architektur wiederfinden müssen.
ABBA wenn die Badehäuser früher doch so schön waren! Was das für eine Zeit gewesen sein muss – vor 100 Jahren um den Wörthersee - so stilvoll, so lebendig, so eine richtige Lust am Leben…! Das bauen wir nach - basta! Zwar billig, simpel und auf den genius loci wird sowieso verzichtet: erstens kann keiner mehr Latein und zweitens muss ein Entwurf auf die verschiedensten Kärntner Seeufer passen. Außerdem kriegen wir´s ästhetisch und handwerklich ohnehin nicht mehr so hin wie damals, ODDA?
ABBA was sollen dann die Leute in 100 Jahren tun: das Plagiat plagiieren? – auch ein Fortschritt.
Architektur als reinen Werbeträger zu missbrauchen führt dazu, dass geschichts- und gesichtslose Kulissen weit länger die ohnehin schwer geprüfte Landschaft um die Kärntner Seen belasten als sie überhaupt Kraft, geschweige denn kulturelle Berechtigung dafür haben. Die Chance, diese durchaus für Kärnten stimmige Idee der Badehäuser zu vermusikantenstadeln schmerzt, weil - wieder einmal - eine vergangene Identität herhalten muss, um die vermeintliche Schwäche der eigenen zu kaschieren.
Roland Winkler für den Napoleonstadel, Kärntens Haus der Architektur, Klagenfurt 09.03.2011