Architektur Aktuell: "Ortszentrum in St. Martin am Techelsberg, Kärnten"
Ernst Roth und spado architects
Ortszentrum in St. Martin am Techelsberg, Kärnten
Das Gemeindeamt als neue Mitte Die Gemeinde Techelsberg am Wörthersee kam mit dem neu gebauten Gemeindeamt nicht nur zu einem Amtsgebäude, sondern auch zu einem neuen Zentrum, das auf zeitgemäße Art identitätsbildend wirkt.
Photos: Christian Brandstätter, Text: Ulrich Tragatschnig
Wohlfühlmomente Bereits 2018 lobte die Gemeinde Techelsberg am Wörthersee einen geladenen Wettbewerb zur Realisierung eines neuen Ortszentrums in St. Martin aus, den eine Arbeitsgemeinschaft aus Ernst Roth und spado architects für sich entschied. Tatsächlich fand die Gemeinde, deren 2059 Bewohnerinnen sich auf 17 Ortschaften bzw. Straßendörfer verteilen, damit eine neue Mitte. Sie liegt unterhalb des religiösen Zentrums, der prominent am Hang situierten Kirche St. Martin, gegenüber einer gut frequentierten Gastwirtschaft und nahe der Schule. Die Architektinnen assoziieren sie in Referenz an Wolfgang Meisenheimer mit einer identitätsstiftenden Körpermitte. Ein ehemals am Platz des heutigen Gemeindezentrums stehendes Gebäude hätte mitverwendet werden können. Die Entscheidung, den unattraktiven und direkt an einer Kurve der Landesstraße stehenden Bau nicht weiter zu nutzen, ist schon allein im Hinblick auf die Verkehrssicherheit gut nachvollziehbar. Der nach dem Abriss frei[1]gewordene Raum bildet nun - als Platz - das eigentliche Herzstück der Anlage. Nach Süden und Westen wird er vom niveaugleich an[1]schließenden Gemeindeamt, nach Norden und Osten von einem den Straßenverlauf begleitenden Mauerbogen gefasst, an den sich auch ein kleiner Bauernladen schmiegt. Für die Fußgängerinnen vermittelt eine zwischen Gemeindeamt und Laden eingeschobene Treppenanlage zum erhöhten Straßenraum. Unter dem seitlich verlängerten Dach des Ladens ergänzt eine Infostelle, davor eine in fernerer Zukunft schattenspendende Linde das Angebot an Wohlfühlmomenten. Großzügig auf kurzen Wegen Das Gemeindezentrum wirkt, als wäre es hingestellt, um die Landschaft zu genießen. Dafür sorgt schon die Hanglage, die in der Konzeption des Amtshauses bestens ausgenutzt wird. Zum einen lieferte sie Parkflächen für Autos in dem nach Südwesten offenen Untergeschoss, was abgestellte Fahrzeuge aus dem Blick nimmt. Zum anderen wurde der den Platz an zwei Seiten umschließende Winkel weitflächig verglast und also möglichst blickdurchlässig gedacht, als gelte es, dem Ausblick möglichst wenig Barrieren in den Weg zu stellen, die Landschaft gleichsam durch das Gebäude hindurch fließen zu lassen und das Gebäude selbst bestmöglich mit dem Platz zu verschmelzen. Wer sich ganz dem eindrucksvollen, im Mittagskogel gipfelnden Panorama Richtung Karawanken hingeben möchte, kann dafür einen Balkon als Aussichtsplattform nutzen. Er rahmt das Gebäude zur Landschaft hin, ist direkt vom Platz aus erschlossen und bleibt auch zu Schließzeiten des Amtes zugänglich. Innerhalb des Gebäudes garantiert die Raumanordnung klare und kurze Wege. Jenseits eines verglasten Windfangs empfängt BesucherInnen ein bei aller Sparsamkeit im Flächenverbrauch doch geräumig anmutendes, lichtes Foyer, in dem auch ein Empfangs- und Postbankschalter untergebracht sind. Das Foyer dient auch als Vorraum zum großzügigen, in der Mitte unter[1]teilbaren Festsaal. Der ist für unterschiedlichste Nutzungen und Veranstaltungen wie beispielsweise Gemeinderatssitzungen oder Blas[1]musikproben adaptierbar. Ihm gegenüber leitet das Foyer zum Büro des Bauamts über und führt zum Treppenhaus, welches das Untergeschoss und damit ein Archiv, WC, Technikräume und das Park[1]deck erschließt. Zum anschließenden Bürotrakt führt ein zum Platz hin verglaster Gang, an welchem sich ein Sozialraum, das barrierefreie WC, Büros und ein Besprechungsraum aufreihen. Der Bürotrakt ist räumlich von den höher frequentierten Bereichen abgesetzt und selbst während Veranstaltungen noch ein ruhiger Arbeitsbereich. Das Oberlichtband in einem Dacherker auf dem Flachdach versorgt die Büros mit ausreichend Licht und blendet, vom Platz aus betrachtet, eine angrenzende Garage gut aus. Himmelsscheibe Seine moderne, unaufdringliche Formensprache und die Bescheidenheit der zum Einsatz gebrachten Materialien - das viele Glas wird innen wie außen von Lärchenholz und Sichtbeton gerahmt - lässt das Amtsgebäude insgesamt unprätentiös wirken. So etwas fügt sich zwanglos in jedes Ortsbild ein. In das Bauprojekt wiederum fügt sich die von Wolfgang Grossl verantwortete Kunst am Bau bestens ein. Ein Uhrenblatt, in welches die Stundenindizes als Schlitze eingeschrieben sind, bildet die Zeit ab, ohne dass vor ihm Zeiger laufen. Es reflektiert die im Tagesverlauf wechselnden Lichtstimmungen. Mit ihm hat der Künstler dem Gemeindezentrum ein Wiedererkennungsmerkmal verliehen, das sich als zeitgenössische Variante der Himmelsscheibe von Nebra versteht. Groß und aus gebürstetem Edelstahl gefertigt, wurde es weithin sichtbar an der südöstlich orientierten Außenwand des Mehrzwecksaales montiert. In weit kleinerer Ausführung ziert es aber auch sämtliche Türschilder, deren Schrift außerdem vereinheitlicht wurde und ident mit der äußeren Beschriftung des Gebäudes ist. Hier kann eine neue Corporate Identity ansetzen. Transparent und objektiv Anders als beim Dorfplatz in Gert Jonkes Erstling „Geometrischer Heimatroman" ergibt sich aus dem Auftritt der neuen Mitte keine Abbildung gesellschaftlicher Hierarchien oder streng formulierter Haltungen und Handlungen, sondern ein - auch in Relation zu der bescheidenen Höhe der umschließen[1]den Verbauung - gut dimensionierter Platz, der demokratischen Vorstellungen entspricht. Dieser fügt sich über Blickbeziehungen in seine Umgebung passgenau ein. Die Einsichtigkeit des Amtshauses und der Umstand, dass der in seiner Höhe leicht betonte Mehrzwecksaal, den die Architekten als Landmark der Anlage verstehen, zum Platz als erweiterten Zuschauerraum hin großflächig geöffnet werden kann, mutet als Statement für eine nun als transparent und objektiv gedachte Politik an: Hier wird bürokratische oder legistische Willkür schon architektonisch erschwert, da die Volksvertreterinnen vor den Augen der Öffentlichkeit tagen, aber auch in Ausübung ihrer Tätigkeit die Gemeinde nie aus dem Blick verlieren.
Das Projekt Techelsberg bildet durch den geschickten Umgang mit dem Gelände und der gewählten Baukörperkonfiguration eine gelungene Symbiose aus Topografie und Ortsraumes entsteht eine neu definierte Mitte mit Kirche, Wirtshaus, Gemeinde und öffentlichem Platz. Ernst Roth
Architekturbüro DI Ernst Roth:
Dipl. Ing. Ernst Roth "1957 Klagenfurt am Wörthersee/ö - Bürogründung/office founded: 1994 in Feldkirchen/0 - Studium/education: TU Graz (Diplom 1989 bei Günther Domenig) - Preise/awards: Holzbaupreis Auszeichnung 2020 mit spado architects, Holzbaupreis 2017 mit Hohengasser Wirnsberger Architekten, Holzbaupreis 2014 mit Winkler+Ruck Architekten, Kärnten Landesbaupreis 2011, 1993, Holzbaupreis 2011, 2005,1999, 1995, Nominierung österr. Bauherrenpreis 2011, Holzbaupreis 2002 mit Arch. Wetschko, Kärntner Landesbaupreis 2002, 2001 mit Arch. Wetschko, Förderungspreis für Architektur, Land Kärnten, J KA 1997, Günther Domenig Preis 1995 et al. - Projekte/realised projects: Loretto Bad Klagenfurt/0 2020, Strandbad Klagenfurt/0 2020, Volksschule Gnesau/ö 2017, Wohnbau Einigkeitsstraße Klagenfurt/0 2014, Musikschule Villach/0 2011 et at. www.arch-roth.at
spado architects:
Arch. DI. Harald Weber *1968 Villach/Ö, Dipl. Ing. Hannes Schienegger *1975 Klagenfurt am Wörthersee /Ö - Bürogründung/office founded: 1999 in Klagenfurt am Wörthersee/Ö - Studium/education: Weber: TU Graz, Genua, Schienegger: BOKU Wien, Mailand, Paris - Preise/ awards: BIG SEE Award 2021, Wettbewerbe 1. Preis 2019,2018, 2014, 2012, best of austria 2017/2016, Bauherrenpreis St.Veit 2007, drei Anerkennungen Bauherrenpreis St.Veit 2005 et al. - Realisierte Projekte/realised projects: Loretto Bad Klagenfurt/e) 2020, Strandbad Klagenfurt/e) 2020, Domäne Lilienberg Tainach/Ö 2017, Rathaus St. Andrä/ö 2017, Fassade Fundermax St.Veit/e) 2012, Bürogebäude Betonring St. Veit/Ö 2011 et.at.
www.spado.at