ARCHITEKTUR_SPIEL_RAUM_KÄRNTEN
ARCHITEKTUR_SPIEL_RAUM_KÄRNTEN
Sophie und Fabian zeichnen gerade einen Plan. Vorher haben sie gemeinsam aus Bausteinen eine Burg gebaut und sie haben nun die Aufgabe, ihr Bauwerk "von vorne", "von oben" und "von der Seite" so auf dem Blatt wiederzugeben, dass ihre FreundInnen später erkennen können, zu welchem Bauwerk ihr Plan gehört.
Die beiden 7-jährigen gehen in die Volksschule St. Martin und nehmen gerade an einem Workshop namens Schau genau teil. Ein Architektin ist zu ihnen in die Schule gekommen und erzählt ihnen viel über ihren Beruf. In ihrer Architektensprache heißt "von vorne" übrigens "Ansicht" und "von oben" nennt sie "Grundriss".
Architektur geht uns alle an –
Architektur- und Baukulturvermittlung für Kinder und Jugendliche
Kinder und Jugendliche sehen ihr Lebensumfeld aus einer anderen Perspektive als Erwachsene. Sie gehen an viele Themen unvorbelastet heran und zeigen Aspekte auf, die von Erwachsenen oft übersehen werden. Hier liegt eine große Chance: Jugendliche müssen ihre Entscheidungen über Arbeitsplatz, Wohnraum und Mobilitätsverhalten nicht rechtfertigen, weil sie sie noch nicht getroffen haben. Sie überlegen nicht lange, ob eine Idee realisierbar ist, und finden durch ihre Unbekümmertheit oft erstaunlich kreative Lösungen. Die Bedürfnisse ändern sich im Laufe des Lebens, ein Kleinkind sieht und nutzt die Stadt und die Wohnung anders als ein Teenager, junge Eltern anders als alte Menschen.
"Die Vermittlung von Kenntnissen über den gebauten und gestalteten Lebensraum soll den Menschen ihre Verantwortung dafür aufzeigen und deutlich machen, dass Raum Wirkung hat. Denn jede/r wohnt und bewegt sich in gestalteten Räumen und daher ist ein bewusster Umgang mit der gebauten Umwelt ein wesentlicher Teil unserer Alltagskompetenz. [...]
Das Erkennen von [Qualität in der] Architektur will gelernt sein! Ziel des Lernens ist das Wecken von Raumverständnis und das Aufzeigen der Gestaltbarkeit und Beeinflussbarkeit von gebauter Umwelt. Ziel sind BürgerInnen, die mehr von Häusern und Plätzen fordern als die reine Zweckerfüllung." (aus: bink - Initiative Baukulturvemittlung)
ARCHITEKTUR_SPIEL_RAUM_KÄRNTEN widmet sich seit seiner Gründung 2006 der Vermittlung von Architektur und Baukultur an Kinder und Jugendliche. In Zusammenarbeit mit Schulen, Kindergärten, privaten Initiativen, Städten, Gemeinden und Kulturvermittlungseinrichtungen veranstaltet das engagierte Team Workshops für junge Menschen und fördert somit nachhaltig das Verständnis für ihr bebautes und gestaltetes Umfeld. Dadurch wird ein wichtiger Grundstein für verantwortungsbewusstes Denken im Bereich der Baukultur gelegt.
In den Workshops werden junge Menschen angeregt, über unterschiedliche Aspekte von Architektur und Baukultur sowie ihre gegenwärtigen und zukünftigen Lebensorte nachzudenken. Eine breite Palette von Angeboten ermöglicht eine altersadäquate Auseinandersetzung mit Architektur und Raum.
Die Workshops folgen unterschiedlichen Konzepten, abhängig von Inhalt, Dauer und Zielsetzung des Projekts. Im Vordergrund steht grundsätzlich das Erfahren von Raum. Architektur, Design, Stadtentwicklung, Raumplanung und deren starke Zusammenhänge werden spielerisch und mit vielfältigen Methoden der baukulturellen Jugendarbeit vermittelt. Je jünger die Kinder sind, desto größerer Wert wird auf das spielerische Bauen gelegt. Die Vermittlung von Fachwissen tritt stark in den Hintergrund und wird höchstens am Rande erwähnt, wie etwa das eingangs erwähnte Fallbeispiel zeigt. Vorzugsweise wird im Maßstab 1:1 gearbeitet. Der ganze Körper der Kinder, die sich in der Schule oft im engen Rahmen von Schulheft, Bildschirm oder Zeichenblatt bewegen, kommt somit zum Einsatz.
Die Kinder sind mit großer Begeisterung bei der Sache, wodurch sie auch manchmal eine starke emotionale Bindung zu einem temporär gebauten Objekt entwickeln und es sehr ungern wieder abbauen.
In speziellen Projekten setzt ARCHITEKTUR_SPIEL_RAUM_KÄRNTEN daher auch auf die Wirkung der Jeux dramatiques, wo die Kinder die Möglichkeit bekommen, ihr Bauwerk im Rollenspiel unmittelbar zu nutzen und zu bespielen und es dadurch auf eine höhere Bedeutungsebene zu heben.
Je älter die Kinder sind, desto komplexer können die Inhalte der Workshops sein, was nicht heißt, dass sie nicht spielerisch vermittelt werden können. Meist muss der Zugang zum Thema sehr niederschwellig sein; auf die Frage nach der bisherigen Erfahrung der Jugendlichen mit Architektur kommt oft nur ein ratloses Schulterzucken als Antwort. Architektur scheint immer noch als elitär angesehen zu werden. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt aber auch, dass vor allem jene jungen Leute, die im Laufe ihrer Schulzeit mehrmals die Möglichkeit haben, an den Workshops teilzunehmen, einen sehr fundierten und niveauvollen Zugang zur Architektur haben. Diese Entwicklung zu beobachten, sich auf interessante Diskussionen mit den Jugendlichen einzulassen und ihr wachsendes Verständnis zur Baukultur zu erleben, gehört zu den unmittelbarsten und schönsten Feedbacks zu unserer Arbeit.
Von 2006 bis 2014 wurden bereits rund 200 Projekte mit über 9000 Beteiligten durchgeführt.
Weitere Schwerpunkte
Neben Workshops und Projekten für Kinder und Jugendliche ermöglichen auch Weiterbildungen und Unterrichtsmaterialien für angehende und erfahrende PädagogInnen die unmittelbare Einbindung baukultureller Themen in den Unterricht.
Besonderen Wert wird auf die Kooperation mit anderen Architekturvermittlungsinstitutionen im Land gelegt. Gemeinsam können zahlreichere und anspruchsvollere Projekte umgesetzt werden und die Expertise vieler Fachleute herangezogen werden. So finden mit dem Architektur Haus Kärnten regelmäßig Workshops und Exkursionen im Rahmen von Architektur entdecken statt (Beispiel: Parkhotel Pörtschach). An der FH Kärnten wurde durch die intensive Zusammenarbeit sogar eine eigene Lehrveranstaltung zur Architekturvermittlung ins Leben gerufen.
Der intensive Austausch mit KollegInnen aus ganz Österreich führte zur Gründung von bink – Initiative Baukulturvermittlung für junge Menschen, wodurch bundesländerübergreifende Projekte und Unterrichtsmaterialien realisiert werden konnten (z.B. technik bewegt, der 2x jährlich erscheinende Baukulturkompass oder die get involved Symposien auf der Architekturbiennale in Venedig).
Rege internationale Kontakte bereichern die Arbeit aller Beteiligten im Netzwerk der Baukulturvermittlung.
Projektpräsentationen, Ausstellungen, Medienberichte, die anspruchsvollen Jahrbücher und die Website www.architektur-spiel-raum.at informieren regelmäßig über die Tätigkeit des ARCHITEKTUR_SPIEL_RAUM_KÄRNTEN und seiner KooperationspartnerInnen. (Die Jahrbücher werden auf Anfrage an mail@architektur-spiel-raum.at zugesandt.)
Der Preis der Zentralvereinigung der ArchitektInnen Österreichs, Landesverband Kärnten (2009) und der Würdigungspreis des Landes Kärnten für Architektur und besondere Verdienste um die Baukultur (2012) zeugen von der Anerkennung der wertvollen Arbeit des ARCHITEKTUR_SPIEL_RAUM_KÄRNTEN, was sich auch in der Vorstellung in der im Oktober 2014 erschienenen Publikation Best of Austria des AzW widerspiegelt.
ARCHITEKTUR_SPIEL_RAUM_KÄRNTEN wurde 2006 von 4 ProtagonistInnen gegründet, die auch heute noch dem Team – bestehend aus ArchitektInnen, einer Landschaftsplanerin, einer Künstlerin, einer Architekturstudentin und einer Jeux-dramatiques-Spielleiterin – angehören.
Vorstand:
Christine Aldrian-Schneebacher, Sonja Hohengasser, Lena Uedl-Kerschbaumer
weitere Mitglieder:
Jasmin Kindler, Gerhard Kopeinig, Raffaela Lackner, Guntram Müller, Peter Nigst, Margarethe Oitzinger-Läßer, Helga Rauter, Anna Rubin
Viele andere engagierte Personen aus dem Bereich Architektur, Kunst, Baukultur und Lehre ergänzen das Kernteam bei einzelnen Projekten.
Artikel: Christine Aldrian-Schneebacher