Bauen am Land: „Altbausanierung - worauf es ankommt“
Bauen am Land: Teil 10
BAUKULTUR IM KÄRNTNER BAUER
Schwerpunkt im Rahmen vom Baukulturjahr 2021
von der FH Kärnten, dem Architektur Haus Kärnten und der Landwirtschaftskammer Kärnten
Eine Frage der richtigen „ökologischen“ Materialien und der geeigneten Handwerker
Von Dipl.-Ing. Jürgen Moravi
Vom Mittelalter bis in die Zwischenkriegszeit des 20. Jahrhunderts wurde bei historischen Bauten in Kärnten nur eine Hand voll Baumaterialien verwendet: hauptsächlich Holz, Stein, Lehm, Kalk bzw. Kalkmörtel, selten Ziegel, sparsam auch Eisen und Glas. Diese sind zugleich „ökologisch“ und mit ihnen konnten alle Bauaufgaben erfüllt werden. Dem ausführenden Handwerker waren diese Materialien bestens vertraut. Er kannte ihre Stärken und Schwächen und konnte damit umgehen. Es war allgemein üblich, mit den vorhandenen Ressourcen sparsam umzugehen.
Die modernen Baumaterialien und Baupraktiken unterscheiden sich vielfach grundlegend von den Historischen. Ein heutiger Handwerker, der viel Erfahrung im Neubau hat, ist daher nicht grundsätzlich für die fachgerechte Sanierung des Altbaus geeignet. Hat er fachlich keine Erfahrung mit den geeigneten Materialien, kann er diese auch nicht richtig anwenden.
Merke: Neubauten beruhen heute auf dem Prinzip des Abdichtens (Dampfsperren, Feuchtigkeitssperren, etc.). Altbauten bis in das beginnende 20. Jahrhundert beruhen auf dem System des offenen, dampfdurchlässigen Bauens ohne Sperren. Bei Sanierungen sollte man immer im entsprechenden System bleiben! Ein Vermischen dieser unterschiedlichen Bauweisen führt meist zu Bauschäden an der historischen Bausubstanz.
In den letzten Jahrzehnten haben sich bei der Altbausanierung Praktiken durchgesetzt, die nicht Ressourcensparend, oftmals für die Bausubstanz ungeeignet oder auch unnötig und daher teuer für den Bauherrn sind. Im Folgenden dürfen die gängigsten Fehlentwicklungen bei der Altbausanierung kurz beschrieben werden.
Verputze
Seit dem 14. Jahrhundert war es in Kärnten allgemein üblich, Steinmauern und später Ziegelmauern vollflächig mit Kalkmörtel zu verputzen. Im Gegensatz zu den heutigen Trends der “Steinsichtigkeit“ waren unverputzte Mauern früher selten. Es gibt heute noch einige bäuerliche Gebäude, die z. B. einen 400 Jahre alten sog. „Fächerputz“ aufweisen. Historische Kalkputze sind sehr langlebig und können durch die richtige Sanierung weitere Jahrhunderte überdauern.
Trotzdem ist es heute gängige Praxis, vorhandene Altputze vollflächig abzuschlagen, obwohl diese meist nur punktuelle Schäden aufweisen. Der Grund dafür ist, dass viele Baufirmen nicht mehr in der Lage sind, geeignete Ergänzungsputze mit der charakteristischen Oberflächenstruktur aufzubringen. Durch die völlige Abnahme des Altputzes kann ohne Rücksicht auf den Vorzustand der übliche Neubau-Standartputz verwendet werden. Dadurch entstehen dem Bauherrn nicht nur unnötige Mehrkosten, sondern vielfach auch Bauschäden. Stark zementhaltige Verputze, besonders auch kunststoffhaltige Putze erschweren bzw. verhindern, dass Feuchtigkeit des Mauerwerks nach außen hin ausdampfen kann. Dadurch erhöht sich dauerhaft der Feuchtegehalt des Mauerwerks, was vielfach im Inneren zu Schimmel und zu langfristigen Schäden führt.
Merke: Besser historische Putze mit hochwertigen Kalkputzen (z. B. NHL-Putze, etc.) ohne Zementanteile und ohne Zementvorspritzer punktuell ausbessern, als vollflächig Neubauputze (mit Zement, Kunststoffanteilen) zu verwenden, um dadurch Bauschäden zu verhindern. Das spart Geld, Ressourcen und ist langlebiger.
Anstriche
Historische Kalkputze waren mit Kalkfarben gestrichen. Die Färbelung erfolgte meist im noch feuchten Putz (sog. Freskotechnik), wodurch langlebige Oberflächen entstanden. Das Neustreichen mit Kalkfarben ist immer wiederholbar, ohne dass alte und tragfähige Kalkanstriche zuvor entfernt werden müssen.
Auch die Verwendung von Mineralfarben oder im Innenbereich die Verwendung von echten Leimfarben (Ausnahme: Feuchträume) sind bei historischen Putzen geeignete Materialien. Demgegenüber sollten keinesfalls heute allgemein übliche Dispersionsfarben im Altbau verwendet werden! Diese verhindern oder erschweren das Ausdampfen (Diffundieren) der Feuchtigkeit. Kalkputze sind durch Dispersionen an ihrer Oberfläche „gesperrt“ und verlieren dadurch im Laufe der Jahre ihre Bindekraft. Die Blasenbildung der Farbschicht als beginnendes Schadensbild ist ein typisches Zeichen von verwendeten Dispersionen.
Merke: Dispersionen sind für das Färbeln des Altbaus (innen wie außen) nicht geeignet! Dispersionen sticken langfristig die historischen Kalkputze ab.
Dachwerke
Historische Dachwerke wurden bis in das beginnende 20. Jahrhundert meist mit gehacktem Holz ausgeführt. Derartige Balken haben eine höhere Tragfähigkeit als geschnittene Holzbalken. Bei der Altbausanierung ist es heute allgemein üblich, dass der historische Dachstuhl standardmäßig abgebrochen wird. Der Zimmermann muss dann auf keinen Bestand Rücksicht nehmen und der Bauherr hat auf Grund eines neuen Dachstuhls erhebliche Mehrkosten. Alte Dachstühle zeigen bei einer Überprüfung, dass meist nur eine Hand voll Hölzer morsch sind und ausgetauscht gehören. Für einen im Altbau geübten Zimmermann ist ein punktueller Austausch von Hölzern und eine allfällige Verstärkung des Dachstuhls schnell erledigt und völlig unproblematisch. Ein sanierter historischer Dachstuhl hat kein „Ablaufdatum“. Der Bauherr spart dabei Ressourcen und Kosten.
Merke: Besser ein paar morsche Dachsparren fachgerecht ersetzten, als den ganzen Dachstuhl zu erneuern!
Fenster
Kastenfenster haben ähnliche Dämmwerte wie das daneben befindliche Mauerwerk. Sie passen daher auch bauphysikalisch sehr gut zu der historischen Bausubstanz. Heutige Thermofenster sind im Regelfall dreifachverglast und für den Einsatz in Neubauten, wie in Niedrigenergiehäusern, gedacht. Werden beim Altbau derartige „hoch dämmende“ Fenster eingesetzt, besteht die Gefahr von Schimmelbildung. Die zu dichte Ausführung dieser Fenster erhöht im Inneren die Luftfeuchtigkeit.
Merke: Keine Verwendung von hochdämmenden, dreifachverglasten Thermofenstern in historischer Bausubstanz. Gefahr von Schimmelbildung!
Wärmedämmung
Bei historischen Gebäuden ist es besonders effektiv, die oberste Geschoßdecke zum unbeheizten Dachboden hin zu dämmen. Hierbei ist dampfdurchlässigen Dämmsystemen der Vorrang zu geben. Der Einbau von üblichen Dampfsperren ist abzuraten, da eine dauerhafte Abdichtung bei Durchstoßpunkten oder bei Bauteilanschlüssen zur historischen Substanz hin kaum möglich ist. An derartigen Punkten entsteht im Winter vermehrt Kondensat („Kelomat“- Prinzip), was besonders bei Holzbauteilen zu Schäden führen kann.
Auch wenn an den Fassaden Wärmedämmverbundsysteme hoch gefördert werden, ist von diesen bei historischer Bausubstanz (Ausnahme sehr dünne Außenwände) dringend abzuraten. Der dichte Aufbau der üblichen Dämmstoffe führt im Laufe der Zeit zu Feuchtigkeitsschäden am historischen Bauteil.
Merke: Standard Wärmedämmverbundsysteme (z. B. Styropor mit Kunststoffputzen) führen bei historischer Bausubstanz unweigerlich zu langfristigen Schäden und der Erhöhung der Feuchtigkeit im Mauerwerk.
Weitere Punkte, die im Altbau zu berücksichtigen wären, sind zu umfangreich, um an dieser Stelle behandelt zu werden. Bei fachgerechter Sanierung durch geeignete Handwerker, kann in einem Altbau ein modernes und behagliches Bewohnen problemlos erfolgen. Der Altbau bietet viele Vorteile wie z.B. Wartungsfreundlichkeit, Langlebigkeit und hohe Ästhetik. Auch bei sommerlicher Überhitzung bleiben die Räume ohne Klimaanlage angenehm temperiert. Ein Pluspunkt der in Zukunft an Bedeutung gewinnen wird.
Merke: Bei keinem anderen Bereich wie bei der Altbausanierung ist es so wichtig, auf den mit den historischen Handwerkstechniken vertrauten Handwerker zu achten. Firmen, die nur im Neubaubereich arbeiten, sind dafür nicht geeignet.
Tipp: Die Abt. f. Kärnten vom Bundesdenkmalamt ist täglich mit Altbausanierung befasst. Auf Anfrage können dort fachkundige Handwerker genannt werden.
Tipp: In der Burgenstadt Friesach wird ein mittelalterliches Wohnhaus fachgerecht restauriert. Besichtigungen sind mit Terminvereinbarung möglich (Kontakt über Gemeinde-Homepage, Sehenswürdigkeiten).
Abb. 1: ein Bauernhaus in Tiffen vor der Instandsetzung
Abb. 2: das Bauernhaus nach der Restaurierung unter Beibehaltung des alten Dachstuhls und Ergänzung des Fächerputzes und des Dekors aus dem 16. Jahrhundert