Bauen am Land: „Der Zukunft Raum geben“
Bauen am Land: Teil 13
BAUKULTUR IM KÄRNTNER BAUER
Schwerpunkt im Rahmen vom Baukulturjahr 2021
von der FH Kärnten, dem Architektur Haus Kärnten und der Landwirtschaftskammer Kärnten
Leben Lernen Raum
Kommentar: DI Raffaela Lackner, Leiterin Architektur Haus Kärnten
Eine „gute“ Schule zu bauen ist eine große Verantwortung, weil sie in der Regel für die nächsten 30 Jahre genutzt wird und neben dem Elternhaus meistens das wichtigste architektonische Objekt ist, welches räumlich erfahren wird. Deshalb ist es für die Baukultur, neben der gesellschaftspolitischen Diskussion über das Bildungssystem, sehr wichtig wie Bildung organisiert und vor allem materialisiert wird. Jeder Bildungsbau trägt mit der Qualität seiner Gestaltung zu einer zukunftsfähigen und erfolgreichen Ausbildung von Generationen bei. Architektur übernimmt dabei die Aufgabe des dritten Pädagogen und kann durch abwechslungsreiches räumliches Erlebnis zusätzlich bilden. Frische Luft, möglichst viel Tageslicht, angemessene Proportionen, natürliche Materialien und die räumliche Verbindung zwischen Innen- und Außenraum sind die Grundzutaten einer guten Lernumgebung.
Bildungsbauten sind eine komplexe und sehr umfassende Aufgabe. Besonders weil die Nutzer*innen meist den ganzen Tag dort verbringen, wird die Schule neben dem Unterricht, vielmehr zum Lebensraum und muss auch Erholung sowie Rückzug ermöglichen. Aus diesem Grund haben sich auch die österreichweiten Architekturtage 2021-2022 dem Thema „Leben Lernen Raum“ verschrieben und machen mit unterschiedlichen Formaten auf gute Bildungsbauten aufmerksam. www.architekturtage.at
Wettbewerbe für die beste Lösung
Kommentar: Arch. Sonja Hohengasser, FH Kärnten, Hohengasser Wirnsberger Architekten
Die Entwicklung von Schulstandorten und Projekten, stabile pädagogische Konzepte und die räumliche Gestaltung müssen Hand in Hand entwickelt werden. Bei jedem Neubau, Umbau, bei jeder Erweiterung und Sanierung von Bildungsbauten ist eine Vorlaufphase unter Mitwirkung aller maßgeblichen Beteiligten notwendig um Potenziale auszuloten und darauf aufbauend ein räumlich-pädagogisches Konzept zu entwickeln. Architekturwettbewerbe können helfen die besten Lösungsmöglichkeiten für verantwortungsvolle Bauaufgaben der Zukunft zu finden:
gut positioniert, sensibel in die Landschaft eingefügt, funktional mit flexiblen Raumangeboten und gemütlichen Aufenthaltsbereichen - nachhaltig gebaut und Werte vermittelnd!
Der Zukunft Raum geben
Landwirtschaftliche Fachschulen vermitteln neben dem Beruf auch Nachhaltigkeit sowie Baukultur. Als Schmiede für Jungbauern und Jungbäuerinnen kann die umgebende Architektur das Lernen und Lehren im Raum bestmöglich unterstützen. Zwei Beispiele zeigen dies sehr eindrucksvoll und beide Schulen wurden bereits mit Architektur-Preisen ausgezeichnet.
Textbeitrag: von DI Raffaela Lackner
Ressourcenschonende Sanierung und Erweiterung
Das bestehende Schülerheim der HBLA Pitzelstätten in Klagenfurt wurde bis 2019 entkernt, saniert und erweitert. Das bestehende Schloss und das gewachsene Gefüge an Zubauten, aus unterschiedlichen Zeiträumen, ist schon von weitem sichtbar. Im Rahmen eines offenen, einstufigen Architektur-Realisierungswettbewerbes 2016, ging das Architekturbüro klingan/konzett architektur als Siegerprojekt hervor.
Die beiden Architektinnen entwickelten eine Erweiterung des Schülerheims, welches ressourcenschondend betrieben werden kann, den Bestand nachhaltig mit einem Holzzubau ergänzt und den Schüler*innen zudem ein starkes Umweltbewusstsein und den Bezug zur umgebenden Landschaft vermittelt. Der bestehende Südtrakt wurde mit dem
zweigeschossigen Neubau verbunden und generiert einen geschützten Hofbereich mit Grünflächen und angelegten Terrassenbereichen. Der Neubau ist in Massivholzbauweise gefertigt, wurde mit vertikalen Lärchenholzbrettern verschalt und ruht auf Betonpfeilern, dies lässt den Baukörper optisch Schweben. Der Rhythmus der Gliederung wird durch die Zimmer-Größen bestimmt. Der Haupteingang ist über einen Steg mit Schloss und der gesamten Anlage verbunden. Ein lichtdurchlässiges und großzügiges Foyer bietet einen beeindruckenden Blick in die umgebende Berglandschaft sowie zum Innenhof hin. Umlaufende Gänge verbinden den Neubau mit dem Bestand und sind zudem großzügige Aufenthaltsbereiche. Fünf Aufenthaltsräume sind verteilt und bieten Rückzugsmöglichkeiten, Gruppenarbeiten und Begegnung außerhalb des Unterrichts. Insgesamt 26 Zimmer-Module sind mit je zwei Zweibettzimmern, Bad, Toilette und Vorraum ausgestattet. Wände und Decken sind aus Brettsperrholzplatten in Fichte, beim Boden wurde Esche verwendet und bei der Einrichtung sowie bei den Türen kam Birkensperrholz zu Einsatz. In Kombination mit der Proportion, den Öffnungen und dem Material ist Natürlichkeit spür- und riechbar. Zudem sorgt Holz für ein optimiertes Raumklima. Das Projekt wurde 2019 mit dem Holzbaupreis Kärnten prämiert. Für den Niedrigenergiestandard (Photovoltaikanlage am Bestandsdach, Biomasse-Heizung, dreifach-verglasten Fenstern und hauseigenen Brunnen) wurde die HBLA Pitzelstätten mit dem Klima-Aktiv-Nachhaltigskeitszertifikat in Silber ausgezeichnet.
Mehr Informationen
https://www.pitzelstaetten.at
https://www.klimaaktiv.at
https://holzbaupreis-kaernten.at
Fotos: Ferdinand Neumüller, Raffaela Lackner
Qualitätsvolle Bestandserweiterung mit starkem Landschaftsbezug
Textbeitrag: von DI Sonja Hohengasser
Auch der Blick über die Landesgrenzen hinaus lohnt sich, wie man an der bereits 2011 fertiggestellten Gartenbaufachschule Ritzlhof in Oberösterreich sehen kann.
2007 platzte die Schule aus allen Nähten und musste erweitert werden. Ein geladener Wettbewerb mit fünf TeilnehmerInnen wurde ausgeschrieben.
Dickinger und Ramoni Architekten konnten die Jury mit ihrem Konzept überzeugen:
der bestehende Vierkanthof (einer für diesen Teil Oberösterreichs in der Landwirtschaft üblichen Bauform) mit denkmalgeschütztem Schulgebäude wurden durch ein Vierkant-Atrium aus Holz erweitert, welches sich zurückhaltend und elegant ins Gelände duckt.
Der Neubau beinhaltet den neuen Zugang zum Schulkomplex. Ein unterirdischer Gang verbindet ihn mit dem denkmalgeschützten Bestand. Ein Atrium und der Mehrzwecksaal bilden den zentralen Innenhof. Unterrichtsräume, Bibliothek, Foyer und Garderobe ordnen sich gut übersichtlich drumherum an.
Auf dem Sockel des Gebäudes, der im Erdreich steckt und in Sichtbeton ausgeführt ist, befindet sich der filigrane Holzbau als pavillonartige Struktur – eine vorbildhafte Vorgabe des Auftraggebers – dem Land Oberösterreich.
Der flache Baukörper mit begrüntem Dach passt sich dem leicht nach Süden ansteigenden Gelände an und fügt sich in die umgebende Kulturlandschaft sehr gut ein.
Aufgrund seiner Zurückhaltung tritt das Gebäude nicht in Konkurrenz mit dem denkmalgeschützten Internatsgebäude aus 1875. Durchblicke und Überblick lassen das Gefühl aufkommen, als sei der Innenraum Teil der Landschaft. Diese starke Verbindung von Innen und Außen ist nicht nur ein architektonischer Ausdruck, sondern spiegelt auch das Programm der Ausbildung wieder - ein großer Teil des Unterreichts findet draußen statt.
Die Schule bietet 600 Schüler und SchülerInnen eine herausragende und trotzdem diskrete Lernwelt, in einem von Holz dominierten Bau mit Ausblick in die Landschaft und Weitblick in die Zukunft. Der Bau wurde 2011 mit dem ZV-Bauherrenpreis, dem wohl wichtigsten Architekturpreis in Österreich, ausgezeichnet. 2014 folgte der Oberösterreichische Daidalos-Architekturpreis.
Mehr Informationen
https://www.ritzlhof.at
https://www.nextrom.at//building.php?id=33293
Fotografie: Markus Bstieler
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Links:
Informationen rund um das Baukulturjahr 2021 www.baukulturleben.at
Architektur Haus Kärnten www.architektur-kaernten.at
Fachhochschule Kärnten, Studiengang Architektur https://www.fh-kaernten.at/studium/bauingenieurwesen-architektur