Bauen am Land: „Mut zur Qualität – eine Käserei als Atelier“
Bauen am Land: Teil 2
BAUKULTUR IM KÄRNTNER BAUER
Schwerpunkt im Rahmen vom Baukulturjahr 2021
von der FH Kärnten, dem Architektur Haus Kärnten und der Landwirtschaftskammer Kärnten
Vorwort
Landwirt schafft Landschaft
Der ländliche Raum steht vor vielen Herausforderungen. Die steigende Abwanderung in die Städte verursacht Leerstand sowie einen unaufhaltsamen demografischen Wandel. Besonders die Jungen zieht es aufgrund der Ausbildung in größere Städte, während die ältere Generation am Land zurückbleibt und hofft, dass die Nachfolger doch wieder heim kehren um den Betrieb weiterzuführen. Zudem kommt ein immer größer werdender Zwang zum Wachstum für Betriebe auf und damit verbunden finanzielle Verbindlichkeiten. Rund 350.000 Bauernhöfe werden jährlich in Europa aufgegeben. Nach der Raumplanungsexpertin Gerlind Weber, schließen allein in Österreich pro Tag sechs Bauernhöfe und verlieren ihre Nutzung sowie die essentielle Aufgabe der Bewirtschaftung der Landschaft. Eine Nachnutzung von oft hundert Jahre alten Höfen ist aufgrund des Modernisierungsdrucks nicht immer möglich und so stehen immer mehr Objekte leer. Leerstand führt weiter zu einem Abbau von Infrastruktur. Wenn Schulen, Nahversorger und auch der öffentliche Verkehr eingestellt werden, geht es direkt auch um Existenzen. Mit dem Abriss eines Bauerhauses geht nicht nur ein Gebäude verloren, sondern verändert auch die Kulturlandschaft. Ein großes Problem vor allem für die Raumordnung.
Gerade jetzt, in der COVID-19 Pandemie, wird deutlich wie wichtig die Sicherung der regionalen Versorgung ist. Dazu gehört natürlich auch die Landschaft als Erholungs-, Natur- und Wirtschaftsraum sowie die touristische Nutzung. Dabei bedient sich der Tourismus meist an traditionellen Motiven, wie alten Gebäuden mit vergrauten Holzfassaden inmitten einer romantischen Bergkulisse. Die bäuerliche Kulturlandschaft, Produkte und Dienstleistungen werden zum Verkaufsargument. Die „Schönheit“ einer Landschaft wird zwar subjektiv wahrgenommen, hängt aber im Grunde davon ab, was auf welchen Flächen angeordnet, gebaut oder auch produziert wird. Den Landwirten wird dabei die Rolle des Kulturlandschaftspflegers als unausgesprochenen Auftrag zugesprochen. Bäuerinnen und Bauern kultivieren seit jeher den Talboden ebenso wie die Almen oder auch die Wälder. Die Landwirtschaft nimmt aber auch eine wichtige Rolle im Zusammenhalt einer Region ein. Sie sichert Arbeitsplätze und schafft Identität. Eine harte körperliche Arbeit mit einem hohen Maß an Idealismus. Wir haben diesen Blick meist verlernt, und es muss uns wieder bewusster gemacht werden. Der Griff zu heimischen Lebensmitteln sichert nicht nur Existenzen, sondern auch den Erhalt der Kulturlandschaft, wie wir sie kennen und schätzen.
Mut zur Qualität – eine Käserei als Atelier
von Dipl.-Ing. Raffaela Lackner
Landschaft gewinnt immer mehr an Wert und steht in einem schwierigen Wechsel- und Spannungsverhältnis. Ein schonender Umgang und individuelle Ideen können neue Chancen für den Zukunftsberuf Landwirt eröffnen.
Für eine Professionalisierung in der Landwirtschaft braucht es nicht zwingend ein Größer und noch Billiger. Selbst für ein gelungenes Beispiel müssen wir nicht in die Ferne schweifen. Der Käsehof Zankl in Stollwitz ist genau so einen vorbildhalten Weg in Kärnten gegangen. Im kleinen Dorf oberhalb von St. Daniel im Gailtal wird seit 1981 der Bergbauernbetrieb von Barbara und Hubert Zankl nach biologischen Richtlinien bewirtschaftet. Als Mitbegründer der weltweit bekannten Slow-Food-Travel-Region wurde bereits in den 90er Jahren mit anderen Bauern ein gemeinsamer Hofladen mit Direktvermarktung errichtet. Nachdem sich der jüngste Sohn Lukas entschied den Weg seiner Eltern weiterzugehen, wurde das Herz des Betriebes, die Hofkäserei, komplett neu gedacht und weiterentwickelt. Generationsübergreifend wurden so die Weichen für einen modernen und nachhaltigen Betrieb gelegt.
Der Wunsch in die Heimat zurück zu kehren, ist beim Jungbauern über die Jahre gereift, wie der wunderbare Bergkäse. Ihm war schnell klar, dass sich der Betrieb irgendwie anders hervorheben müsse. Der Hof sollte nicht überproportional wachsen um mit den riesigen Mengen von anderen Betrieben mithalten zu können. In der bewussten Entscheidung für die Qualität und die Spezialisierung eröffnete sich wie von selbst ein neues Potential. Besonders das Gebäude brachte viel Aufmerksamkeit und ist zudem ein unvorhergesehener Werbeeffekt für die Biokäserei. „Die Leute haben darüber geredet und viele Jung- als auch Altbauern haben sich gemeldet, kamen zur Besichtigung und wollten mehr über unseren neuen Weg erfahren.“ erzählt Lukas Zankl im Gespräch.
Auf Empfehlung der Bauherren der Kaslab`n in Radenthein wurden die beiden Architekten Sonja Hohengasser und Jürgen Wirnsberger mit der Planung beauftragt. „Schon beim ersten Treffen war klar, dass wir von derselben Philosophie sprechen. Es stand nicht sofort das wirtschaftliche im Vordergrund, sondern das ökologische und naturnahe Bauen. Sicher gab es auch Reibungspunkte und viele Diskussionen. Wir als Bauern kommen aus der Praxis und die Architekten aus der Theorie.“ so Zankl. Baukultur ist immer auch Gesprächskultur, nur wenn darüber gesprochen wird, kann sie gelingen.
Nachdem die groben Eckpfeiler klar definiert waren, machten sich die beiden Architekten an die Arbeit. Dem Duo gelang mit dem Entwurf ein sensibler, unaufgeregter, als auch funktionaler Eingriff. Anstelle eines Neubaus auf der grünen Wiese wurde die Hofkäserei ins Zentrum des bestehenden Gefüges platziert und reagiert in der Höhe als auch in der Gestaltung auf die umliegenden Gebäude. Die sensible Nachverdichtung erweitert das Vorhandene und wirkt einer weiteren Zersiedelung entgegen. Darüber hinaus brachte es auch viele praktische Vorteile für die Arbeitsabläufe am Hof.
Der eingeschossige Baukörper wurde um einen Meter abgesenkt und verschwindet nahezu unter der Geländekante und der Landschaft. Exakte Kanten und verlängerte Mauerscheiben bilden einen neuen Vorplatz und ermöglichen kurze Wege zum Wirtschaften zwischen dem bestehenden Stall und der neuen Käserei. Der Höhenunterschied wird genutzt um die
Arbeitsabläufe beim Käsen zu erleichtern sowie die Schwerkraft bei der Milchweitergabe zu nutzen. Zudem entsprach das Absenken der Anforderung eines gemauerten Gewölbekellers für die naturnahe Reifung des Käses. Der Reifekeller aus Altwiener Ziegeln und Stampflehm arbeitet für sich selbst, ohne Technik und es herrscht ein konstantes Erdklima von 12 – 15 Grad, welches laut dem Jungbauern nie künstlich erzeugt werden könne. Eine Photovoltaik-, Solar- und Hackschnitzelanlage machen den Hof zudem energieautark. Mit einer Naturkläranlage wird das Abwasser in Blumenerde und auch Trinkwasser gefiltert.
In Anlehnung an bäuerliche Wirtschaftsgebäude ist der Baukörper mit einer klaren konstruktiven Holzstruktur umschlossen und gliedert sich in drei Bereiche – Verarbeitung, Produktion und Reiferaum. Jeder Bereich wurde mit einer eigenen atmosphärischen Ausformulierung gestaltet und ist klar ablesbar. Während sich der Keller zum Erdreich hin komplett schließt, öffnen sich Verarbeitung und Produktion großzügig und lichtdurchflutet zum Hof. Gute Belichtungsverhältnisse, abgestimmte Arbeitsabläufe sowie optimale Blickbeziehungen zeichnen den Entwurf aus. Ein exklusiver Verkostungs- und Verkaufsraum begrüßt Kunden mit einer Verkleidung aus Fichten- und Lärchenholz und überrascht mit dem Kunstobjekt „Kopfüber“ von Katharina Steiner aus 1600 heimischen Kräutern und Gräsern.
Abschließend fasst Lukas Zankl zusammen: „Wir wären ohne die beiden Architekten überfordert gewesen. Wir wurden gut begleitet, hatten Partner auf Augenhöhe und der Bau war professionell unter Kontrolle. Langfristig gesehen ist das eingeschossige Gebäude und die funktionale Aufteilung der Arbeitsbereiche ohne überschüssige Technik einfach die günstigste Variante für uns. Ich bin heute noch froh, über die Idee der beiden Architekten dazu. Kleine Strukturen müssen erhalten bleiben. Dafür ist es wichtig außerhalb der gewohnten Kapsel zu denken. Es gibt soviel Potential und Möglichkeiten.“ (Dipl.-Ing. Raffaela Lackner, Leiterin Architektur Haus Kärnten)
Zitat Lukas Zankl: „Diesen Schritt der Neuorientierung muss man sich schon auch mal trauen. Ohne Mut kommt es zu keiner Veränderung. Die ganze Anerkennung und der Zuspruch haben uns bei dem eingeschlagenen Weg nur noch mehr bestätigt.“
FILMTIPP
Im Dokumentarfilm „Bauer unser“ vom Kärntner Filmemacher Robert Schabus wird sehr eindrucksvoll gezeigt unter welchem Druck viele Bauern mit „schneller, größer, weiter und billiger“ stehen. Ein Spannungsfeld zwischen ländlichem Idyll, global vernetzten Großbetrieben und innovativen Selbstvermarktern wird aufgesponnen. Sehr nüchtern und ungeschönt macht der Film einem aber auch bewusst, welche wichtige Rolle ein einzelner Landwirt mit seinem Betrieb in einer Region einnehmen kann.
Links und mehr Informationen:
www.baukulturleben.at Baukulturjahr 2021 in Kärnten
www.architektur-kaernten.at Architektur Haus Kärnten
www.fh-kaernten.at/studium/bauingenieurwesen-architektur Fachhochschule Kärnten, Studiengang Architektur
https://derbiokaesehof.at Käsehof Zankl
https://www.film.at/bauer-unser Film „Bauer unser“
https://www.nextroom.at/building.php?id=39767
Fotos © Christian Brandstätter
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