der Standard.at_2015.12.06_Architekt: "Wenige Bauten aus Wiederaufbauzeit machen Spaß"
Den Bauten der österreichischen Nachkriegsmoderne mangelt es an Fröhlichkeit und Freude, sagt Architekt Roland Winkler von der ARGE Čertov, Winkler+Ruck. Beim Wien-Museum komme nun immerhin so etwas wie allegorischer Spaß ins Spiel.
STANDARD: Der Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny hat Sie bei der Pressekonferenz vor kurzem als junges Kärntner Team bezeichnet. Ist das ein Kompliment?
Winkler: Ich bin froh, dass er das getan hat, und froh, dass das nicht stimmt. Wir sind Mitglied der Gruppe "Junge Architektur Kärnten". Die Gruppe haben wir vor 20 Jahren gegründet. Wir feiern gerade Jubiläum.
STANDARD: Ihr Entwurf ist eine sehr stille, behutsame Ergänzung zum Haerdtl-Bau. War dieser zurückhaltende Ansatz von Anfang an klar?
Winkler: In der Ausschreibung war es verboten, den Haerdtl-Bau aufzustocken. Wir haben es trotzdem gemacht, und zwar um zwei Geschoße bzw. um knapp zehn Meter, weil wir der Meinung sind, dass die Karlskirche damals – vielleicht war es vorauseilender Gehorsam – einen zu schwachen Nachbarn bekommen hat. In gewisser Weise hat der Bau jetzt jene Radikalität, die dem Karlsplatz bislang gefehlt hat.
STANDARD: Viele andere Büros haben auf die Pauke gehaut und ein auffälliges Denkmal à la Guggenheim vorgeschlagen.
Winkler: Und das haben wir zu Beginn auch! Da waren viele, auch sehr wilde Entwurfsstadien darunter. Doch die haben wir alle wieder fallengelassen. Denn wenn man beginnt, die Schwäche des Haerdtl-Baus auszugleichen, indem man ihm einen starken Bruder danebenstellt, dann erzeugt man damit womöglich einen Beleidigten, der es einem aus der zweiten Reihe heraus übelnehmen kann. Das wollten wir nicht. Wir haben den Haerdtl stark gemacht.
STANDARD: Ganz allgemein scheint es, dass der Bausubstanz aus den Nachkriegsjahren in Österreich wenig Liebe entgegengebracht wird. Das Wien-Museum ist da eine große Ausnahme. Woran liegt das?
Winkler: Es gibt diese ganz spezielle Qualität der 1959/60er, die wir heute so sehr lieben. Das ist das Bunte, Lustige, Frisch-Fröhliche. Das gibt es überall auf der Welt, nur nicht bei uns. Bei der Nachkriegsmoderne in Österreich schwingt etwas Trauriges, etwas Schmerzvolles mit. Nur wenige Bauten aus der Wiederaufbauzeit machen Spaß.
STANDARD: Kommt jetzt ein bisschen Spaß mit dem Wien-Museum neu?
Winkler: Na hoffentlich! Am stärksten wird sich das wohl an der Vorplatzgestaltung mit dem Entree, dem Kaffeehaus und den Sitzgelegenheiten vor dem Museum äußern. Mein persönlicher Favorit ist das verglaste Zwischengeschoß rund um den Wien-Raum, von dem aus man auf den Karlsplatz wird hinausschauen können. In allegorischem Sinne ist das eine ähnliche Raum fuge, wie sie der Karlsplatz für Wien ist.
STANDARD: Wie wird sich der Karlsplatz ab 2019/2020 mit dem Wien-Museum neu weiterentwickeln? Gibt es eine Zukunftsvision?
Winkler: Ich bin schon froh, wenn ich es schaffe, die nächsten fünf Jahre zu visionieren! Nein, ich habe keine Ahnung, wie sich der Karlsplatz weiterentwickeln wird. Diese Unvorhersehbarkeit ist meines Erachtens eine große Qualität dieses Ortes – noch nie wusste man im Vorhinein, was einem der Karlsplatz als Nächstes auftischt. Aber ich bin froh, dass wir mit unserem Projekt einen kleinen Beitrag zum Dialog mit ungewissem Ausgang liefern dürfen.
(Interview: Wojciech Czaja)