Die Presse: "Landschaft als Bau-Skulptur"
Im „Steinhaus“ verdichten sich viele Motive der Architektur Günther Domenigs zu einem außergewöhnlichen Bau. Zu Besuch in einer Ikone am Ossiacher See.
(Artikel von Madeleine Napetschnig)
Eintreten in Günther Domenigs „Steinhaus“ heißt vordringen in eine alpine Landschaft. Zwischen Felsbändern und Überhängen aus Stahl, Glas und Beton bewegt man sich Geländestufen hinauf und hinunter. Die Talsohle: eine Schlucht. Hier trifft Grundwasser auf Seewasser. Gefasst in einen „Spiralraum“. Von dort aus hat Domenig das Steinhaus in all seiner Komplexität entwickelt, erklärt Architekt Christian Halm, Domenig-Student, später Projektpartner und kooptiertes Mitglied des Vorstandes der Günther Domenig Privatstiftung, die für dieses ikonische Bauwerk in Steindorf am Ossiacher See verantwortlich ist. Wie groß ist schon der Unterschied zwischen Landschaft und Architektur, wenn sie ihr Schöpfer bewusst so angelegt hat? „Aus dem Boden wachsen Hügel, aus denen Felsen brechen. Durch die Schlucht getrennt. Felsen aus Metall, Hügel aus Mauern, durchdrungen von Räumen und Wegen, unter das Wasser reichend“, schrieb der berühmte Kärntner Architekt seinem Schlüsselwerk zu. Dieses Zitat hat man im Kopf, wenn man dann weiter vom Spiralraum und dem „tiefen Weg“ hinauf zu den „Schwebesteinen“ steigt – die auskragenden Gebäudeteile – und weiter übers Areal wandert. Wo beginnt hier das intendierte Mölltal mit seinen Flanken, wo geht der Bau ins sanftere Gelände des Ossiacher Sees über? Beides Landschaften, die frühe biografische Bezüge zur Baukunst des 1934 geborenen Künstlers
haben, wie Wilfried Aichinger, Vorsitzender der Privatstiftung, vor Ort erklärt.
Raum für Experiment. 1982 arbeitete Domenig an ersten Skizzen, ganz fertiggestellt sollte sein persönlichster Bau 2008 werden. Vier Jahre vor seinem Tod. Sehr viel Zeit, Einsatz und Kapital hatte er in dieses Projekt investiert. Gewohnt hat er hier nie, aber gearbeitet, mit Studierenden experimentiert, gefeiert, Jazzkonzerte veranstaltet – über letztere hat Architektin Elke Knoess Grillitsch einen neuen Kurzfilm gemacht. Auf wie viel Gegenliebe die dekonstruktivistische Architektur in der Umgebung am Anfang stieß, zeigt eine Anekdote: „Auf einem Fremdenverkehrsprospekt wurde der Bau damals herausretuschiert und grafisch durch einem Wald ersetzt“, erzählt Architekt Georg Wald, der das „Steinhaus“ wie kein anderer kennt. Jeden Freitag hatte Wald, heute Stadtplaner in Klagenfurt, die Baustelle besucht. Er war in Steindorf aufgewachsen und einer der frühen Diplomanden Domenigs an der TU Graz. Ideen aus Walds Diplomarbeit sind in die Gestaltung der Gemeinde sowie ins Umfeld des „Steinhauses“ eingeflossen. Selbst nach der Überschwemmung im Sommer 2020 fand er Lösungen für die unter Denkmalschutz stehende Architektur.
„Aus dem Boden wachsen Hügel, aus denen Felsen brechen. . .“
In Domenigs außergewöhnlichem Schaffen – von der Z-Bankfiliale in Wien Favoriten (1979) über das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände Nürnberg (2001) bis zum T-Center in Wien (2002-04) – nimmt das „Steinhaus“ noch einmal eine Sonderstellung ein: Es ist eine begehbare Skulptur, Veranstaltungsort und Experimentierraum für Architektur – und wird als solcher genutzt. Zudem verweisen die Stiftungsmitglieder auf die technische Leistung. Lang vor der Möglichkeit digitaler Freiformen hatte Domenig sehr genaue Vorstellungen von komplexen Ecken, Kurven, Verbindungen. Und Handwerker mit Expertise zur Hand, die die notwendigen Schalungen für die Betonteile herstellen konnten. Und dann ist da noch mehr, wie sich in Gesprächen vor Ort zeigt: Viele Details sind eng mit der Vita verwoben. Alles scheint Referenzraum. Die Fährten legte Domenig oft selbst, auch in poetischen Texten. So spielt etwa die scharfe Abgrenzung von der nationalistischen Gesinnung der Eltern ebenso wie die Verletzung der Hand beim Sport eine Rolle, erzählt Georg Wald: Sei’s im Motiv der Finger, sei’s im Bauteil des „Huckepack“. Zugänglich ist das „Steinhaus“ dank der Privatstiftung regelmäßig und so längst eine Sehenswürdigkeit internationalen Ranges geworden, ein „iconic house“. Aktuell eingebunden ist es in das kärntenweite „Dimensional“- Festival anlässlich des zehnten Todestags. Ein weiterer Schauplatz ist die Heft, Domenigs Bauten in der alten Hochofenanlage in Hüttenberg. Ausstellungen im Museum Moderner Kunst Kärnten und Architektur Haus Kärnten (beide Klagenfurt) zeigen das große baukünstlerische Werk. Vieles, was Domenigs Werk ausmacht, kommt vor allem im „Steinhaus“ zusammen, an einem ganz besonderen Platz mit einer eigenen Aura: Das Areal selbst ist ein gestaltetes Gelände mit einem „schwarzen Hügel“, Plastiken und einem Steg, der wie ein Finger in den Ossiacher See hineingreift. Nebenan eine große unbebaute Grünfläche, dahinter der Naturraum des Bleistätter Moors. Das alles wirkt eindrucksvoll zusammen.
Tipp: „STEINHAUS“. Besichtigungen und Programme vorOrt: domenigsteinhaus.at
Bis 16. Oktober noch kärntenweit: Dimensional, domenigdimensional.at