„Es kommt auf Kleinigkeiten an“
Veranstaltung „sinnvoll warten - tua eppas“ im Tonhof_Nachbericht
Zum ersten Mal beteiligte sich der Tonhof in Maria Saal unter dem Titel „sinnvoll warten – tua eppas“ am Programm des „Langen Tages der Flucht“. Dieser fand am Freitag, den 25. September 2015 in ganz Österreich zum vierten Mal statt und ermöglichte Einheimischen, Flüchtlingen und Asylsuchenden wieder, sich bei unterschiedlichen kostenlosen Veranstaltungen wie Workshops, Lesungen, Ausstellungen, Kinovorstellungen oder Diskussionen auszutauschen und mehr über den jeweils „Anderen“ zu erfahren. Bereits in den 1960er Jahren verstand sich der Tonhof als vermittelnder Ort zwischen Landbevölkerung und Kunstschaffenden der Wiener Avantgarde. Hier gingen auch Literaturgrößen wie Thomas Bernhard, Christine Lavant, Peter Handke oder Peter Turrini ein und aus. Mit der Veranstaltung positionierte er sich einmal mehr als Ort der kulturellen Begegnung.
Rund fünfzig BesucherInnen – couragierte Einheimische und Asylsuchende aus der Region Mittelkärnten – folgten der Einladung trotz Regenwetter und versammelten sich im Stadel des Tonhofs, wo die informative Ausstellung „Fluchtraum Österreich“ als Impuls zum zweiten Mal in Kärnten zu sehen war. Es begrüßte als Veranstalter Stefan Schweiger, der den Tonhof vor ein paar Jahren zu neuem Leben erweckt hatte, mit einem Appell tätig zu werden und aufeinander zuzugehen. Deshalb auch der Titel der Veranstaltung „tua eppas“, der absichtlich als nicht-Kärntner Dialektausdruck gewählt wurde. Es folgten Willkommensworte der Mitveranstalterin Architektin Gordana Brandner-Gruber vom Büro starke Orte, die die Ausstellung geholt hatte, sowie der Kooperationspartnerinnen Raffaela Lackner vom Architektur Haus Kärnten und Laura Ippen vom Verein Vobis – Verein für offene Begegnung durch Sprache.
Die zahlreichen Gäste aus Kärnten, Syrien, Afghanistan, der Ukraine, Georgien oder dem Kongo versammelten sich um den großen Tisch, auf dem die dreizehn raumanalytischen Kartographien und kritisch-argumentativen Essays lagen, die sich „mit unterschiedlichen Maßstäben der Flucht in Österreich“ beschäftigen. Die neuartige Ausstellung, die Architekturstudierende der Technischen Universität Wien unter der Leitung der jungen ArchitektInnen Nina Valerie Kolowratnik und Johannes Pointl erarbeiteten, wurde zeitgleich auch am Karlsplatz in Wien präsentiert. Mehrere Projektideen zeigten konstruktive Ideen für die Wartezeit auf. Ein beteiligter Student namens Osama Almughanni war als Gast geladen, die Ausstellung und sein Projekt „Die Architektur des Wartens“ persönlich vorzustellen. Sein Projekt hinterfragt klar die passive Wartezeit während des Asylprozesses und stellt als mögliche Lösung eine Onlineplattform vor: Durch Eingabe des jeweiligen Ortes soll ein kleinräumlicher Austausch zwischen EinwohnerInnen einer Kommune und den dort lebenden Asylwerbegästen erfolgen.
Danach wechselten die BesucherInnen in die geheizten Räumlichkeiten des altehrwürdigen Tonhofgebäudes zur Diskussion, welche Tätigkeiten während des Asylverfahrens Sinn machen. Es wurden Wünsche für diverse Aktivitäten geäußert, allen voran Deutschkurse besuchen, auch Radfahren lernen, Kochabende geben oder schneidern dürfen. Als Angebote wurden unter anderem formuliert: kleine Ausflüge organisieren, bei Behördenwegen begleiten oder Nachhilfeunterricht für Schulkinder geben. Osama Almughanni, der aus Palästina stammt und unermüdlich für die arabisch sprechenden Gäste übersetzte, konnte das Anliegen vieler zusammenfassen, dass es auf Kleinigkeiten ankommt, die helfen und zählen. Der Abend endete stimmungsvoll mit syrischer Musik von Arif Omar, der bereits bei der Eröffnung der Ausstellung im Tonhof auf seiner besonderen Laute spielte, mit gemeinsamem Essen und Austauschen untereinander, bevor es zum Lichtermeer vor dem Stadttheater nach Klagenfurt ging.
Zitate:
Stefan Schweiger, Leiter des Tonhofs, Leiter der Trigonale – Festival für alte Musik (Veranstalter):
„tua eppas“ als nicht-Kärnter Dialektausdruck will ermuntern, Asylwerbern offen zu begegnen und sie schon während der Zeit ihres Asylverfahrens in unsere Kultur und Arbeitsweise einzubinden. Je mehr Fertigkeiten sie in ihrer Wartezeit erlernen, desto besser kann der Start gelingen. Wenn engagierte Personen sie an der Hand nehmen und führen, ist es ein Weg zur Selbständigkeit. “
Gordana Brandner-Gruber, Architektin, starke Orte – Baukultur sichtbar machen (Mitveranstalterin):
„Baukultur ist Teil und Abbild unserer Kultur, wie wir alle gut miteinander leben können. Die Veranstaltung lädt AsylwerberInnen und die engagierte Zivilbevölkerung der Region zum einander Kennenlernen, Zuhören und Vernetzen, wie Asylsuchende die Wartezeit sinnvoll nutzen können. Die Ausstellung „Fluchtraum Österreich“ liefert dazu und zu anderen Themen der Flucht und des Asylwesens wertvolle Impulse.“
Raffaela Lackner, Geschäftsführerin Architektur Haus Kärnten (Kooperationspartner):
„Das Architektur Haus Kärnten begrüßt als Kooperationspartner die Veranstaltung „sinnvoll warten – tua eppas“ und möchte die wichtige Ausstellung „Fluchtraum Österreich“ im Dezember ins Architektur Haus Kärnten holen. Dazu soll es ein interessantes Rahmenprogramm geben, wo wir zum Beispiel gebaute und ungebaute Vorbildprojekte zum Thema Asyl und Integration zeigen möchten.“
Laura Ippen, Vorstand Vobis – Verein für offene Begegnung durch Sprache (Kooperationspartner):
„Vobis besteht aus ehrenamtlichen MitarbeiterInnen, die die Lebenssituation von AsylwerberInnen in Kärnten verbessern wollen. Die Kenntnisse der Landessprache sind besonders wichtig für das Miteinander. Wir bieten unentgeltlich Deutschkurse in unserem Sprachcafe in Volxhaus in Klagenfurt an oder unterstützen BewohnerInnen dabei, eigene Deutschkurse in ihren Gemeinden durchzuführen.
Osama Almughanni, Architekturstudent der Technischen Universität Wien, über sein Projekt „Die Architektur des Wartens“ als Teil der „Fluchtraum Österreich“ Ausstellung: „The Architecture of Waiting“ hinterfragt das grundlegende Konzept des Wartens und dessen passive Zuschreibung und schafft mit einer Onlineplattform die Grundlage zum aktiven Warten und Interessensaustausch im Asylprozess. Ich habe in meinen Gesprächen mit Asylwerbern die Erfahrung gemacht, dass es auf Kleinigkeiten ankommt, die helfen und zählen.“
(Text von Gordana Brandner-Gruber)