Kleine Zeitung: "Aufbruch in die Moderne"
Die Klagenfurter Alpen-Adria-Galerie und der Napoleonstadel geben Einblick in die Nachkriegsarchitektur dies- und jenseits der Karawanken. Mit den beiden Ausstellungen wurde gestern das Baukulturjahr 2021 eröffnet.
(Artikel von Erwin Hirtenfelder)
Mit ihrem Protest gegen die geplante Neufassadierung des Villacher Rathauses haben Friedrich Achleitner und Dietmar Steiner in den 1980ern Architekturgeschichte geschrieben. Ihrem Engagement ist es zu verdanken, dass der Bau von Karl Hayek aus dem Jahr 1952 als erstes österreichisches Nachkriegsgebäude unter Denkmalschutz gestellt wurde.
In der Ausstellung „Land der Moderne – Architektur in Kärnten 1945–1979“ ist das Villacher Rathaus nicht vertreten, dafür aber zahlreiche andere Bauten, die ihre Qualitäten zuweilen erst auf den zweiten Blick zu erkennen geben, darunter auch die Alpen-Adria-Galerie selbst. Als Paradebeispiel für den sogenannten Brutalismus war der Sichtbetonbau aus dem Jahr 1971 gleichsam der ideale Schauplatz für die Ausstellung. „Adolf Bucher hatte den Bau ursprünglich als Haus der Begegnung geplant. Hier wurde auch der erste Bachmannpreis vergeben“, erinnert Kurator Lukas Vejnik an dessen Anfänge. Um den Zubau möglichst im Originalzustand zu präsentieren, ließ er alle Stellwände entfernen und öffnete die Galerie über den Innenhof – ein Aha-Erlebnis für alle Besucher des Stadthauses. Von Bucher stammen auch etliche Kärntner Freibäder, etwa jenes in Klein St. Paul, oder die Kirche St. Theresia, ein innovativer Holzleimbinderbau in Welzenegg.
Für Vejnik, der die Schau gemeinsam mit Simone Egger aus einem Forschungsprojekt der Uni Klagenfurt entwickelt hat, war Kärnten nach den massiven Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs „eine Region im Aufbruch, die in öffentlichen Bauangelegenheiten eine betont moderne Position einnahm“. Belege dafür sind Roland Rainers „Vorstufengebäude“ an der Alpen-Adria-Universität oder das Kelag-Hochhaus, aber auch industrielle Bauwerke wie die Ankogel-Seilbahn. Wie viele andere Projekte ist sie in der Ausstellung gleich doppelt präsent – einmal durch eine historische Fotografie aus dem Nachlass von Hans-Jörg Abuja (1919–2002) und dank einer Nachschau von Gerhard Maurer. Im Falle der Seilbahn sind spätere Eingriffe minimal geblieben, ebenso wie bei der eleganten Heimstätte des Rudervereins Nautilus (Rolf Haas), beim ehemaligen Mercedes-Autosalon in Villach (Karl Hayek) oder beim Ferienheim der Wiener Sängerknaben in Sekirn.
Nur ein geringer Teil der Bauwerke steht heute unter Denkmalschutz. Es sind vor allem Sakralbauten und vereinzelt auch Schulen wie die von Clemens Holzmeister konzipierte Volksschule von Grafenstein. An nur wenigen Projekten haben Frauen mitgewirkt. Beispiele dafür sind die Evangelische Kirche in Völkermarkt (Elisabeth Baudisch) oder die Aufbahrungshalle in Feldkirchen (Ingrid Piber). So mancher Vorzeigebau wie das Hotel Obir in Vejniks Heimatort Bad Eisenkappel befindet sich heute im Dornröschenschlaf.
Ergänzt wird die Schau durch einen Katalog samt Fotoessay, der zusätzliche Beispiele aus der Zeit des Wiederaufbaus und des Wirtschaftswunders vor Augen führt, darunter die Sternhochhäuser oder das einstmals jugoslawische Generalkonsulat in Klagenfurt. Nicht nur dieses weist mit seiner reduzierten Formensprache in Richtung Adria, wo Architekten wie Janko Hartman oder Franc Korent die Fahnen der Moderne hochhielten.
Ihren Bauten begegnet man in der Parallelausstellung im Napoleonstadel, die sich mit der Architektur und Stadtplanung in Celje zwischen 1955 und 1985 auseinandersetzt. Am Beispiel von Sloweniens drittgrößter Stadt hat ein junges Forscherteam 20 private und kommerzielle Gebäude unter die Lupe genommen und dabei vor allem den rigiden Funktionalismus des Massenwohnbaus nach dem Krieg sichtbar gemacht. Doch neben der Linderung der Wohnungsnot durch leistbare Zweckbauten gelang es einzelnen Architekten, auch Mustergültiges zu schaffen, etwa dem Plecnik-Schüler Edvard Ravnikar mit seiner Nationalbank von 1962 oder Branko Kocmut mit einem Bürokomplex, der 1971 als erster in der Stadt mit einer Klimaanlage errichtet wurde.
Höchst ansprechend ist vor allem die Präsentation der Schau: Die Originalpläne, Skizzen oder Fotografien sind an Baugittern befestigt, die an die Stahlbeton-Ära nach 1945 erinnern sollen. Beide Ausstellungen sind ein gelungener Auftakt des Kärntner Baukulturjahres 2021, dessen weitere Programmpunkte noch einige Erkenntnisse und Aha-Erlebnisse versprechen.
Die Ausstellungen
„Land der Moderne – Architektur in Kärnten 1945–1979“,
Alpen-Adria-Galerie im Stadthaus Klagenfurt (Theaterg. 4);
bis 13. 6., tägl. außer Mo. von 10 bis 18 Uhr.
„Tendence: Architektur und Stadtplanung in Celje, 1955–1985“,
Architektur Haus Kärnten (Napoleonstadel), Klagenfurt (St. Veiter Ring 10);
bis 20. Juni, Mo. bis Fr. von 10 bis 16 Uhr.
Nähere Infos: 0463/50 45 77, www.architektur-kaernten.at