Kleine Zeitung: "Der Ensemble-Schutz riecht nach Machtspielen"
Architekt Reinhold Wetschko über fehlende Raumplanung und Versäumnisse der Stadt Klagenfurt bei der Messe und beim Flughafen.
Auf politischer Ebene wird über eine Widmungsabgabe als Instrument der Raumordnung diskutiert. Was sagt der Experte: Kann man so Baugründe, die in Reserve gehalten werden, aktivieren?
REINHOLD WETSCHKO: Als Instrument ist sie zu wenig. Seit der Baulandbilanz vor 30 Jahren wissen wir um die Reserven. Außerdem ist das eine Frage der Gerechtigkeit: Jemand, der seit 50 Jahren Bauland hat, soll plötzlich zahlen? Besser wäre eine Mehrwertabgabe. Da findet die Abschöpfung bei der Widmung statt – denn da tritt ja auch die Wertsteigerung ein. Und in der Regel wird ja im Zuge eines Verkaufs gewidmet. Dann hätte man als Gemeinde Geld für Infrastrukturmaßnahmen und es wäre ein viel besseres Steuerungswerkzeug.
Fehlende Raumordnung und schlechte Planung sind Schlagwörter. Für Laien erklärt: Was ist das Problem?
Schauen wir nach Krumpendorf und Pörtschach. Bis in die 1990er hinein hatte man kaum Probleme in den Orten, dann öffnete man 2002 das Gesetz, ließ Appartementbauten zu. Die Bauherren sagten immer, es gehe um die Wirtschaftlichkeit, tatsächlich hat man so aber kalte Bettenburgen geschaffen – obendrein an Ortsrändern. Das pervertierte jede Raumordnung. Ein anderes negatives Beispiel sind Baulandmodelle. Da wird ein Straßenraster über eine Fläche gelegt und jeder Käufer bekommt 1000 Quadratmeter. Einen Anger, einen Dorfplatz als Begegnungszone, plant da niemand ein. Und dann wundert man sich über fehlende soziale Strukturen und Raser auf schnurgeraden Straßen in Wohngebieten.
Was sollte die Politik stattdessen machen? Man tut sich schwer, jemandem den Wunsch nach einem Eigenheim zu versagen.
Neue Modelle. In den 1990ern hatte man Möglichkeiten. Wenn drei Familien zusammen bauten und jede nicht mehr als 500 Quadratmeter verbrauchte, bekam man höhere Förderungen. Das sind Dinge, die sollte man auch aus ökologischen Gründen fördern – Doppelhäuser haben weniger Außenmauern, da spart man Heizkosten. Aber die Politik will ja Experten nicht einmal hören. Man redet viel von Demokratie und Transparenz, aber breit diskutiert hat man die Novelle zur Raumordnung nicht. In Graz hat man viel innovativere Fördermodelle, in der Schweiz sucht man nach den besten Lösungen und modifiziert die Raumordnungsregeln regional. Am Ende sollte bei einer Widmung nämlich auch das Umland gewinnen, nicht nur der Bauwerber.
Sie planen für das Unternehmen Kollitsch beim Fernheizwerk einen Wohn- und Geschäftskomplex. Werden Sie Ihren eigenen Anforderungen gerecht?
Es war ein europaweit offenes Verfahren. Ich glaube, was uns da gelingen wird, ist ein Mix im Erdgeschoß, der das Objekt öffnet. Dafür gibt es auch öffentliche Wege. Das Schlimmste wäre eine Monokultur.
Beim Flughafen und der Messe muss man sich als Bürger jedenfalls ernsthaft Sorgen machen, was mit diesen Arealen passiert.
Wie die Diskussion um die Messe lief, war höchst unseriös! Ein paar Renderings und Begehrlichkeiten! Man sollte lieber darüber reden, ob es Messen noch braucht. In Graz ist ein Großteil des Messe-Freigeländes mittlerweile für Wohnbau verwendet worden. Und beim Flughafen hätte sich die Stadt selbst überlegen können, was sie mit 28 Hektar macht. In Helsinki, in Finnland, gibt es Stadtgebiete für die alle fünf Jahre ein Wettbewerb gemacht wird – ohne, dass je gebaut wurde. Aber man lässt neue Erkenntnisse und Bedürfnisse einfließen. Das sollte man auch auf so wichtigen Baufeldern wie der Messe machen, statt ein Kongresszentrum festzuschreiben, das ich auch schon seit 30 Jahren kenne. Das Problem ist ja auch, dass die Öffentlichkeit immer seltener als Bauherr auftritt.
Bei einem neuen Hallenbad will sie es.
Dann hätte es einen professionellen Prozesses bedurft. Die Entscheidung über den Standort kann man nicht einer Bürgerbeteiligung unterziehen, da braucht es Naturschützer, Raum- und Stadtplanung und Architektur. Und ich sage auch: Ein Bad unter Einbeziehung des Sees hätte seinen Reiz gehabt. Aber nur, wenn die Bürger zuvor gesagt hätten, was sie überhaupt wollen.
Sie haben indirekt bereits die Ideen der Lilihill-Gruppe angesprochen. Wie werten Sie deren Aktivitäten?
Ich kenne den Eigentümer, den Herrn Orasch, nicht, aber bisher brachten weder das Moser Verdino noch das Generali-Gebäude einen Mehrwert für die Stadt. Ihre Erdgeschoßflächen beleben nämlich die Stadt nicht. Diese Schnittstelle zwischen Privathaus und öffentlichem Raum hätte mehr Potenzial gehabt. Das ist auch meine Kritik an den City Arkaden. Nach 19 Uhr gehören sie nicht mehr zur Stadt. In München gibt es die „Fünf Höfe“, da lebt das Erdgeschoß auch am Abend mit der Stadt mit. Und noch ein Satz zu Orasch: Dass der Alte Platz unter Ensemble-Schutz gestellt wird, sein Objekt aber nicht, weil er schon ein Projekt eingereicht hat – nun ja, ich sage ja nicht, dass man alte Bausubstanz nicht mit modernen Mitteln kombinieren soll, aber das riecht nach Machtspielchen. (Artikel von Thomas Cik)
Zur Person
Reinhold Wetschko (60) ist einer der profiliertesten Architekten Kärntens. Seit 1989 ist er als Architekt tätig, zudem lehrte er an mehreren Hochschulen und ist Mitglied im Denkmalbeirat beim Bundesdenkmalamt.
Er ist Präsident der Kärntner Zentralvereinigung der ArchitektInnen Österreichs.
Privat ist er verheiratet, zweifacher Vater und seit einem Jahr Großvater. Er lebt in der Klagenfurter Innenstadt.