Kleine Zeitung: "Ein Gesetz, das viele elektrisiert"
FRAGE & ANTWORT. Das Kärntner Energiewendegesetz steht trotz 40 Stellungnahmen kurz vor dem finalen Beschluss.
Artikel von Bettina Auer
1. Was ist das Ziel des neuen Energiewendegesetzes?
ANTWORT: Das Energiewendegesetz soll den Ausbau der erneuerbaren Energie in Kärnten beschleunigen, indem die Sammelnovelle Raumordnungsgesetz, Bauordnung, Elektrizitätsgesetz und Elektrizitätswirtschaftsgesetz aufeinander abstimmt. Ziel sind weniger und kürzere Verfahren.
2. Wann wird es beschlossen?
ANTWORT: Die Begutachtungsfrist ist Ende April abgelaufen. Im Juni soll ein Beschluss in der Landesregierung erfolgen und danach ein Landtagsbeschluss vor der Sommerpause, heißt es aus den Büros von Landeshauptmannstellvertreter Martin Gruber und Energiereferent Sebastian Schuschnig (beide ÖVP).
3. Wie viele Stellungnahmen wurden in der Begutachtungsfrist eingereicht?
ANTWORT: Insgesamt gab es rund 40 Stellungnahmen, wobei einige wortgleiche von mehreren Personen oder Organisationen eingebracht wurden.
4. Gibt es Kritikpunkte, die im Rahmen der Stellungnahmen vorgebracht wurden, die eine Überarbeitung des Gesetzes erfordern?
ANTWORT: Jede der Stellungnahmen wurde vom Verfassungsdienst und der zuständigen Fachabteilung geprüft. Wie es aus den Büros von Schuschnig und Gruber heißt, finden nun noch Gespräche zwischen den Koalitionspartnern SPÖ und ÖVP statt, in welchen Details man nachjustieren werde. Zu den grundsätzlichen Eckpunkten habe sich aber kein Überarbeitungsbedarf ergeben.
5. Was sagen die Befürworter des Gesetzes?
ANTWORT: Vor allem die Wirtschaft und die Industrie hat schon viele Jahre auf eine Vereinfachung der Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energie gedrängt, da Kärntens Gesetze im Bundesländervergleich als sehr restriktiv galten. Entsprechend begrüßen viele Vertreter der Unternehmer das Energiewendegesetz, wenngleich sie kritisieren, dass es nicht schnell genug gehe. Einer von ihnen ist Timo Springer, Präsident der Industriellenvereinigung. Er sagt: „Positiv zu beurteilen sind jedenfalls die in dem Gesetz vorgesehene Verankerung des übergeordneten öffentlichen Interesses gegenüber der Erhaltung des Landschaftsbildes sowie die geplante Erleichterung von Genehmigungsverfahren. Auch Maßnahmen wie die jetzt vorliegende PV-Verordnung werden seitens der Industrie begrüßt. Sie dienen gerade durch den Wegfall von gesonderten Widmungsverfahren der Beschleunigung.“ Ebenfalls ein Befürworter ist Wirtschaftskammer-Präsident Jürgen Mandl, der betont, dass der bisherige Ausbau alternativer Energieformen im Bundesländervergleich in Kärnten zu gering gewesen sei, um bis 2040 die Abkehr von fossilen Energieträgern zu schaffen. „Das Gesetz ist jetzt notwendig, damit wir in der Energie mehr Autonomie gewinnen“, betont Mandl.
6. Was sagen die Kritiker?
ANTWORT: Vor allem der Alpenverein hat sich wiederholt kritisch zum Energiewendegesetz geäußert und eine mehrseitige Stellungnahme eingereicht. In dieser verweist er darauf, dass in Kärnten bilanziell 100 Prozent der Stromenergie und 60 Prozent der Gesamtenergie aus erneuerbarer Energie kommen. Die bilanzielle Menge bedeutet allerdings, dass es zu gewissen Zeiten wie etwa im Winter nicht genug Strom aus Wasserkraft erzeugt wird, während es im Sommer eine Überproduktion gibt. Darüber hinaus führt der Alpenverein wichtige Freizeit- und Wirtschaftsinteressen wie sanften Tourismus ins Feld, die eine Erhaltung der unverbauten Landschaft erfordern. Vor allem die Windräder sind dem Alpenverein ein Dorn im Auge. Arnold Riebenbauer, zweiter Vorsitzender des Landesverbandes, sagt: „Es ist zu hinterfragen, wie sinnvoll es ist, unsere Berge mit Windkraft zuzupflastern.“ Nur ein geringer Prozentsatz der Energie werde in Österreich aus Windkraft gewonnen. Es brauche laut Riebenbauer eine Verdoppelung der Windräder, um vier Prozent zu erreichen. Bedenklich sei auch, dass es aufgrund der Größe und des Gewichts der Windräder stark befestigte Straßen auf den Bergen brauche. Außerdem fordert der Alpenverein ein, dass das Land auch Energiespar-Potenziale auslotet. Darauf pochen auch die Mitglieder des Fachbeirates für Baukultur, die ebenfalls eine Stellungnahme abgegeben haben, die unter anderem vom Kärntner Kulturgremium, dem Architekturhaus Kärnten, dem Bauarchiv Kärnten sowie der Zentralvereinigung der Architekten unterstützt werde. Architekt Werner Kircher, der Mitglied des Baukultur-Beirates ist, kritisiert, dass im Gesetz der Produktion von Energie „absolute Priorität“ eingeräumt wird, aber Kultur- und Naturlandschaften, Ortsbildqualitäten und die Qualitäten von wertvollen Ensembles nicht berücksichtigt werden. 2030 sei zwar eine Evaluierung der „raumbedeutsamen Auswirkungen“ des Energiewendegesetzes vorgesehen, doch dafür fehlen Qualitätsmaßstäbe und Werteskalen.
7. Ist das Energiewendegesetz ein Freifahrtschein für einen unkontrollierten Wildwuchs von Windrädern und PV-Anlagen, wie Kritiker befürchten?
ANTWORT: Die Büros Schuschnig und Gruber weisen das zurück. Ob eine Anlage mit dem Landschaftsbild vereinbar sei, werde weiter im Behördenverfahren überprüft. Wertvolle landwirtschaftliche Böden, Naturschutzgebiete und Gefahrenzonen seien von einer Verbauung ausgeschlossen.