Kleine Zeitung: "Manche sehen ‘die Faust aufs Aug‘ nicht mehr"
Manche sehen 'die Faust aufs Aug‘ nicht mehr“
Christine Aldrian-Schneebacher leitet den „Architektur Spiel Raum Kärnten“. Nun will der Verein auch mit einem eigens entwickelten Gesellschaftsspiel das Wissen um Baukultur vertiefen.
Artikel von Erwin Hirtenfelder
Können Sie uns kurz erklären, was Sie mit Ihrem Verein zu bewirken versuchen?
ALDRIAN-SCHNEEBACHER: Es geht uns vor allem um baukulturelle Bildung für junge Menschen. Wir arbeiten daher hauptsächlich in Schulen, machen aber auch freie Workshops. Die Bandbreite der Themen, zu denen wir meist etwas bauen, reicht von Raumplanung bis zu Spezialbereichen wie Farbenkunde, Materialien oder Proportionslehre.
Ist das Thema Baukultur in den Schulen unterrepräsentiert?
Es gibt dafür kein eigenes Fach, aber es ist als Querschnittsmaterie und Unterrichtsprinzip in allen Klassen verankert, so wie etwa gesunde Ernährung oder politische Bildung. Aber es befassen sich damit meist nur engagierte Lehrer, die sich in diesem Bereich auch auskennen.
Wie viele Workshops bietet Ihr Architektur Spiel Raum im Jahr an?
Mit unseren zwölf aktiven Mitgliedern kommen wir auf 40 bis 50. Seit Corona wurde das etwas weniger. Wir haben aber die Zeit genützt für Projekte, die schon länger in der Schublade lagen, wie zum Beispiel das im vergangenen Baukulturjahr herausgegebene Vermittlungsspiel „Kein schöner Land“.
Wer soll damit spielen?
Jugendliche, Familien, aber auch Entscheidungsträger in den Gemeinden und der Verwaltung. Es soll auf spielerische Weise Interesse an den Zusammenhängen von Raumordnung, Baukultur, Mobilität und Klimaschutz wecken und Wissen dazu vermitteln. Wie im Volkslied besungen, gibt es kaum ein schöneres Land „weit und breit“. Aber durch Spekulationen, wirtschaftliche Überlegungen oder schlichte Unwissenheit ist diese Schönheit in Gefahr geraten. Kärnten lebt ja sehr gut vom Tourismus und wir verkaufen unsere tolle Landschaft als Attraktion. Und dann geht man in die Berge und sieht dort diese Chaletdörfer. Richtig naturbelassen ist da schon sehr wenig.
Stehen Naturbelassenheit und Architektur nicht in einem gewissen Widerspruch zueinander?
Ja eh, aber man kann mit der Landschaft auch kommunizieren. Architektur kann auch ein Gewinn sein und wird, wenn sie gut gemacht ist, nicht als störend empfunden. Gutes Bauen kostet letztlich nicht mehr als schlechtes Bauen.
Wenn man sich die grellbunten Fassaden in manchen Kärntner Ortschaften anschaut, dann wird einem deutlich vor Augen geführt, dass diese Kommunikation sehr unterschiedlich gehandhabt wird.
Unsere Arbeit ist großteils eine Sisyphusarbeit. Aber Camus sagt auch, dass man sich Sisyphus als einen glücklichen Menschen vorstellen muss. Leider ist Baukultur oft von bestimmten Kräften abhängig, und sei es ein von Neonfarben faszinierter Malermeister. Was innerhalb der Häuser geschieht, und wenn es der größte Kitsch ist, sollte jedem selbst überlassen bleiben, aber alles außerhalb, dafür haben wir eine gesellschaftliche Verantwortung. Der Raum, in dem man sich aufhält, der macht ja was mit einem. Manche sehen die sprichwörtliche Faust aufs Aug‘ schon gar nicht mehr. Aber nur weil man sie nicht sieht, heißt das nicht, dass sie nicht wirkt.
Hat sich also in den vergangenen Jahren nicht wirklich viel zum Besseren gewandelt?
Die Situation hat sich zwar etwas gebessert, nicht zuletzt aufgrund des tollen Baukultur-Netzwerks in Kärnten mit dem Architektur Haus als Drehpunkt, aber es ist immer noch zu wenig, wenn man sich die Realität anschaut – was da hingeklescht wird und wo vor allem. Das hat vielfach mit Geld zu tun, aber auch mit fehlendem Bewusstsein.
Ihr Spiel erinnert an eine Mischung aus DKT und Millionenshow. Nennen Sie uns ein paar Ihrer Lieblingsfragen?
Das Spiel, das von einem Aktivitätenbuch und einem Quartett mit Best-Practice-Beispielen von Kärntner Wohnformen ergänzt wird, bietet auf jede Frage vier Antwortmöglichkeiten. Etwa: Wie heißt die oberste Linie von einem Satteldach? First, Second, Third oder Fourth?
First?
Oder wie heißt das ausufernde Bauen rund um Ballungszentren? Ist das der Salamigürtel, der Speckgürtel, der Schinkengürtel oder der Wurstgürtel? Oder: Wie viele Regenwürmer verlieren pro Tag in Österreich ihren Lebensraum durch Bodenversiegelung? 11, 111, 111.000 oder 11 Millionen?
111.000 wären schon recht viel...
Über den Verein
Der Architektur Spiel Raum Kärnten, gegründet 2006, besteht aus 12 Mitgliedern (ArchitektInnen, KünstlerInnen, PädagogInnen) und bietet vorwiegend Workshops zum Thema Baukultur an.
Das Brettspiel „Kein schöner Land“ ist für 35 Euro erhältlich.
Nähere Infos und Kontakt: www.architektur-spiel-raum.at