Kleine Zeitung: "Proteste gegen Neubau halten an"
Baustufe 3 in der Kanaltalersiedlung in Villach: Der Abriss alter Wohnhäuser sorgt weiter für massiven Widerstand. Initiative protestiert gegen „Neubau als Bausünde“.
(Artikel von Martin Johain)
Ich wünsche mir ein Haus mit Garten“, „Geld frisst Lebensqualität“, „Hört auf zu lügen“. Die Anrainer der Kanaltalersiedlung in Villach machen ihrem Zorn im Zuge eines Protestmarsches Luft und kleben Zettel mit klaren Botschaften auf das Bürofenster der Landeswohnbau Kärnten (LWBK).
Die Genossenschaft realisiert in der Siedlung ein Großprojekt im Ausmaß von 57 Millionen Euro. Alle Häuser der knapp 80 Jahre alten Siedlung, in der vielfach Senioren leben, sollen bis 2038 abgerissen und neue errichtet werden. Was für die Bauträger eine bautechnische Notwendigkeit darstellt, ist für die Anrainer seit Jahren eine massive Bedrohung. Sie fürchten um Lebensqualität, Natur, leistbares Wohnen. Vor Beschluss der bevorstehenden Baustufe 3, die den Hof des Mangartweges auflösen soll, wollen sie die noch stehenden Häuser retten. Auch die Villacher Kulturszene beteiligte sich durch das „a.c.m.e. Theater“ am Aufschrei. „Es ist nicht so, dass ein Neubau in jedem Fall billiger kommt. Und selbst wenn, hat man wahrscheinlich noch nicht einberechnet, was für die Umwelt günstiger kommt“, sagt Martin Dueller.
Sanierung statt Neubau ist das Credo der Bürgerinitiative Kanaltalersiedlung. Die Mitglieder bestehen darauf, dass ein Abriss der gesamten Siedlung nicht nur in ökologischer, sondern auch in sozio-kultureller Hinsicht ein Fehler wäre. „Das historische Stadtbild könnte erhalten werden und auch die Bewohner der Siedlung würden ihre Wohnungen, aber vor allem ihre Würde, behalten“, sagt Bauingenieur und Anrainer Markus Lackner. Vor allem in Zeiten der Klimakrise und Mietexplosionen seien die gesetzten Maßnahmen nicht mehr dem Zeitgeist entsprechend. Allein der Bauschutt bei einem Neubau würde, sagt die Initiative, 5000 Lkw-Ladungen und den Ausstoß von 10.000 Tonnen CO2 ausmachen. Die Entsorgungskosten lägen, so Lackner, fast bei vier Millionen Euro.
Der kaufmännische Geschäftsführer der LWBK, Harald Repar, hält dagegen: „Wir haben das alles prüfen lassen und Sachverständige verwiesen auf bauphysikalische Normen, wie Raumhöhe und Brandschutz, die bei einer Sanierung nicht mehr eingehalten werden können. Dass die Bürgerinitiative auf diese wichtigen Punkte vergisst, ist Diskriminierung jener gegenüber, für die ein behindertengerechtes Wohnen essenziell ist“, sagt er. Weiters sieht Repar die gegenwärtigen Heizmethoden, Holzofen und Strom, als „aus der Zeit gefallen“, ein Neubau setze hier nachhaltig neue Maßstäbe.
Die Bewohner sehen sich „seit Jahren außen vor gelassen“: „Wir leben hier teilweise seit Jahrzehnten gemeinschaftlich miteinander, die Gärten sind ein sozialer Angelpunkt. Wir wurden nie aufgeklärt oder aktiv in den Entwicklungsprozess eingebunden“, beklagt eine Bewohnerin. Die LWBK dementiert dies mit abgehaltenen Infopoints, die die Bewohner aktiv mit eingebunden hätten.
Vor Kurzem wurde auch ein Einwand gegen die Umsetzung des dritten Bauabschnittes bei der Stadt Villach eingereicht, Architekt Stefan Breuer, selbst in der Kanaltalersiedlung aufgewachsen, möchte ein Voranschreiten des Projektes damit verhindern: „Es ist unser aller Anliegen, einen Stopp der dritten Baustufe zu erzwingen, um so eine Prüfung von Alternativen durchzuführen.“
Auch im Villacher Gemeinderat wurde 2017 per einstimmigem Dringlichkeitsantrag ein Baustopp der Stufe drei gefordert. Stadtrat Harald Sobe (SPÖ) verspricht, dass „jegliche Einwände im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten im Gemeinderat diskutiert und abgearbeitet werden“.
Kanaltalersiedlung
Bauvorhaben. Die 80 Jahre alte Kanaltalersiedlung wird schrittweise abgerissen und neu aufgebaut. Gebaut wird seit April 2017, 39 Wohnungen wurden bereits neu bezogen. Derzeit läuft der zweite Abschnitt und soll im Frühjahr 2022 fertiggestellt werden. Bauabschnitt 3 steht vor der Bewilligung.
Zeitplan
Bis 2038 will die LWBK 57 Millionen Euro investieren. Rund 900 Menschen wohnen in der Anlage. Sie fürchten den Verlust von Grünfläche und die Erhöhung der Mietpreise. Sie fordern seit Jahren das Aus des Vorhabens.