Kleine Zeitung_07.08.2014_"Wir suchen Lösungen jenseits der Trends"
Seit zehn Jahren kann man in Kärnten Architektur studieren und neben dem Bau von Seebühnen auch soziale Verantwortung erlernen. Ein Gespräch mit dem Spittaler FH-Professor Peter Nigst.
Sie haben vor zehn Jahren an der FH Kärnten den Lehrgang Architektur aufgebaut. Wie viele Absolventen haben Sie seither hervorgebracht?
PETER NIGST: 64 Diplomanden nach dem System Architekturmaster, das 2007 begann und etwas mehr als 100 Bachelorabsolventen seit 2004. 60 von ihnen "stecken" in der Zahl der Diplomanden. Derzeit haben wir an der FH in Spittal etwas mehr als 100 Studierende der Architekturstudiengänge. Parallel gibt es ebensoviele Bauingenieurstudierende.
Wie viele Ihrer Diplomingenieure haben hierzulande einen Job gefunden?
NIGST: Etwas mehr als die Hälfte kommt aus Kärnten, zirka 25 von ihnen haben hier als qualifizierte Mitarbeiter in Architekturbüros Fuß fassen können, einige sind mittlerweile selbstständig mit eigenem Büro.
Wie würden Sie deren allgemeine Lage beurteilen?
NIGST: Dem Großteil der Absolventen geht es sehr gut, trotz schwieriger Wirtschaftslage. Es gibt aber dennoch Probleme für kleine und mittlere Architekturateliers bei der Umsetzungspraxis. Etwa, weil Aufträge vermehrt an Abwicklungsgesellschaften anstelle von qualifizierten Architekturbüros vergeben werden. Teilweise glaubt man heute, ohne freischaffende Architekten auskommen zu können. Es hängt da viel von der Art der Vergaben und Ausschreibungen ab. Man sollte auch jüngeren Büros eine Chance geben, wie das anderswo üblich ist. Hier vertraut man viel zu sehr auf Umsatzgröße und verharrt in nur ökonomisch orientierten Strukturen.
Hat das Ihrer Meinung nach negative Auswirkungen auf die hiesige Baukultur?
NIGST: Es ist grundsätzlich immer möglich, baukulturell etwas Wertvolles zu entwickeln, aber solche Lösungen unter suboptimalen Bedingungen bedeuten für gewöhnlich einen Verlust an Qualität und Ideenvielfalt.
Was kann Ihre Fachhochschule leisten, was einer Massen-Uni nur schwer möglich ist?
NIGST: Die Kleinheit, in der wir mit den Studierenden arbeiten, macht eine intensive Betreuung möglich. Man bleibt länger an Themen dran und greift eine Reihe von praktischen Dingen auf, die oft im Zusammenhang mit der Region stehen und versucht gut gestaltete, auf den Mensch bezogene Lösungen zu finden. Im Raum Spittal haben wir bisher 17 unterschiedliche Projekte gemacht, darunter ein ausgezeichnetes Projekt für ein Kärntner Bauarchiv und Spittaler Stadtarchiv mit neuer Stadtbücherei und Studierräumen. Weiters wurden Siedlungsüberlegungen für das Aicherfeld im Osten von Spittal angestellt, Projekte für eine Busbahnhofüberdachung oder für die Adaptierung eines Gebäudes für eine Neue Mittelschule.
Gibt es auch eine kritische Auseinandersetzung mit baulichen Fehlentwicklungen an sensiblen Standorten, etwa rund um den Millstätter See?
NIGST: Wir versuchen sehr stark den gegenwärtigen Trends der massiven Seeufervermarktung und -bebauung entgegen zu arbeiten. Wir haben zum Beispiel geschaut, wie sich die Verbauung von gut einsehbaren Parzellen am See visuell auswirkt, etwa beim Campingplatz Pesenthein, wo Schlimmeres abgewendet werden konnte. Wir haben auch exemplarische Lösungen gesucht, wie man eine Seebühne oder ein Badehaus nachhaltig und umweltverträglich bauen könnte. Insgesamt versuchen wir ein baukulturelles Klima zu schaffen, das zumindest Kärnten weit ausstrahlt.
Ihre Verantwortung gegenüber Umwelt und Gesellschaft scheint aber nicht vor der eigenen Haustür Halt zu machen. Sind Ihre Studenten noch in Afrika aktiv?
NIGST: Wir haben seit 2009 vier Schulprojekte realisiert, darunter drei in der Nähe von Johannesburg, wo wir Klassen- und Werkstatträume errichtet haben und eines in Mzamba am Indischen Ozean. Jetzt sind wir gerade dabei, durch ein Projekt die Erreichbarkeit dieser Schule zu verbessern. Um in die Schule zu kommen müssen dort über hundert Kinder von ihren Rundhütten aus einen Fluss durchqueren. Dem wollen wir mit einer 135 Meter langen Seilhängebrücke, die zwei unserer Studierenden im Rahmen ihrer Diplomarbeit planen und ab August bauen werden, Abhilfe schaffen.
Wie finanziert man derlei Projekte?
NIGST: Wir haben zum Beispiel 2009 von Christoph Chorherrs Verein Sarch2 eine Basisfinanzierung von 15.000 Euro bekommen. Dankeswerterweise kamen Beträge vom Land im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit dazu und die Studierenden haben sich sehr um Sponsoren gekümmert, etwa auch bei einem Weihnachtsmarkt gesammelt. Sie haben auch einen Eigenanteil zu den Kosten beigetragen, neben über 8000 freiwilligen geleisteten Stunden vor Ort. Inklusive dem kompletten Schulbau, sowie Flug und Aufenthalt von bis zu 17 Studierenden wurden bisher nie mehr als 65.000 Euro benötigt für einen zirka 270 Quadratmeter großen überdachten Bereich mit Klasse und Werkstattraum und Sanitärgruppe. Alle Projekte sind jetzt schon zu einer respektablen Schule zusammengewachsen
Welche Projekte sind derzeit in Kärnten geplant?
NIGST: Wir planen zum Beispiel einen Gartenpavillon für die Palliativmedizin, damit die Klinikum-Patienten auch ins Freie können, oder eine Erweiterung der Jugendnotschlafstelle in Klagenfurt. Eine Privatperson hat dafür ein Grundstück zur Verfügung gestellt, das wir in Kooperation mit dem FH-Studiengang Soziale Arbeit bebauen wollen. Uns geht es um Projekte, mit denen sich unsere Studierende identifizieren können und bei denen sie mit Begeisterung ihr Wissen und Können erweitern.
(INTERVIEW: ERWIN HIRTENFELDER)