Kleine Zeitung_14.12.2011_Kulturpreis 2011
„Wichtiger ist auf jeden Fall der Außenraum“
Morgen werden im Stift Ossiach die Kärntner Kulturpreise vergeben. Reinhold Wetschko (52) wird mit dem Würdigungspreis für Baukultur geehrt. Ein Gespräch über den Architektenberuf, das Wörtherseestadion und sonstige „Sünden“ der Politik.
Wenn Sie an Ihre Anfänge als Architekt zurückblicken: Was hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten im Bereich der Kärntner Baukultur getan?
REINHOLD WETSCHKO: Manches hat sich verbessert, manches verschlechtert. Wir haben zum Beispiel
in den 1990ern einen großen Aufschwung bei den Wettbewerben gehabt. Das ist jetzt wieder abgeflacht. Andererseits finden die jungen Kollegen heute ein weit besseres Klima vor, mit weniger verkrusteten Strukturen, etwa bei den Wohnbaugenossenschaften, und mehr Akzeptanz und Verständnis in der Bevölkerung für moderne Architektur
.
Vor 20 Jahren wurden moderne Bauten, etwa mit Flachdächern, in manchen Gemeinden systematisch
verhindert, heute wird das gegenteilige Extrem praktiziert: Alles ist erlaubt und sei’s nur eine Mauer aus knallbunten Steinen . . .
WETSCHKO: Ja, diese Steinschlichtungen sind tatsächlich ein Wahnsinn! Da stellt sich wirklich die Frage, ob die neue Gestaltungsvielfalt eine Verbesserung ist. Ein Flachdach mach’ ich auch nicht überall. Das bedingt zumindest einen eleganten Baukörper.
Worin besteht für Sie das größte Defizit im Kärntner Baugeschehen?
WETSCHKO: In der Zersiedelungsproblematik bzw. in der Raumordnung. Jetzt möchte man überhaupt
die Umwidmungen den Gemeinden überlassen. Das finde ich vollkommen falsch. Wir müssen stattdessen wieder zu einer stärkeren Verdichtung kommen und Siedlungen bauen, wie das früher der Fall war. Architektur ist Innenraum. Aber wichtiger ist auf jeden Fall der Außenraum. Ich weiß schon, dass man mit Umwidmungen spekulieren und Gewinne machen kann, aber das gehört auf eine rationale Basis gestellt,
wo auch die Allgemeinheit etwas davon hat.
Was schwebt Ihnen vor?
WETSCHKO: Es wird ja schon lange diese Mehrwertabgabe diskutiert, die man in der Schweiz oder in Bayern schon längst hat. Wenn dort jemand einen Mehrwert durch eine Umwidmung erhält, dann muss er davon einen gewissen Prozentsatz, so circa 30 Prozent, abgeben. Die Allgemeinheit bekommt so für Infrastrukturkosten, die sie mittragen muss, eine Entschädigung und die Kommunen haben wieder mehr
Spielraum, um wichtige Grundstücke anzukaufen. Das wäre eine offensive Grundstückspolitik, die zugleich unsere Ressourcen schont. Es ist für mich nur eine Frage der Zeit, bis das von vernünftigen Politikern umgesetzt wird.
Apropos Vernunft: Würden Sie gerne ein Hallenbad für Klagenfurt planen?
WETSCHKO: Nicht unter den gegebenen Voraussetzungen. Die Diskussion, wie sie zurzeit geführt wird, ist kontraproduktiv und nicht lösungsorientiert. Man müsste sie auf eine sachliche Ebene bringen. Es gibt ja genügend gute Beispiele.
Welche?
WETSCHKO: Ich denke da an Konstanz, wo es ein Hallenbad in Seenähe gibt. Auch das von Hemma Fasch geplante Bad in Graz-Eggenberg ist sehr gut gelungen. Es hat auch ein 50-Meter-Sportbecken und kann von der Ausstattung her zu 95 Prozent auf Klagenfurt übertragen werden. Die Kosten liegen bei ungefähr 40 Millionen Euro.
Welchen Standort würden Sie bevorzugen?
WETSCHKO: Wenn es wirklich gut gemacht ist, dann hätte der Standort am See das größte Potenzial. Es müsste aber als maßgeschneidertes Landart-Projekt gemacht werden, das die Stärke des Ortes mit einbindet. Es könnte ein tolles Projekt werden, wenn man es richtig angeht.
Das Wörtherseestadion ist da wohl kein Vorbild für Sie?
WETSCHKO: Nein, absolut nicht. Wir als Architektenkammer haben sogar dagegen prozessiert. Es war ein grundlegender Fehler, dass das Prinzip der Trennung von Planung und Ausführung nicht eingehalten wurde. Auch gab es keine Standortdiskussion. Die hätte es gerade im Hinblick auf die Kosten geben müssen.
Inwiefern?
WETSCHKO: Intelligente Stadien wie das Olympiastadion in München oder jenes in Udine nützen das Gelände aus. Man gräbt die Hälfte ab und braucht den Hochbau nur mehr halb so groß machen. In Waidmannsdorf hast du einen schlechten Grund und eine irrsinnige Masse in die Höhe bringen müssen. Es gibt dort auch viel zuwenig Grundstücksreserven, etwa für zusätzliche Trainingsplätze. Auch das Verkehrskonzept ist provinziell: Die Promis dürfen den Platz vor dem Stadion verparken, während die
Benützer öffentlicher Verkehrsmittel weit draußen abgeladen werden. Das Stadion hätte zum Beispiel an der Autobahn-Nordumfahrung besser hingepasst.
Was bauen Sie gerade?
WETSCHKO: Den Amalienhof in Klagenfurt. Da gab es einen Wettbewerb für die Revitalisierung mit einem Neubau im Hof für die Landesholding. Dann machen wir die zweite Baustufe für das Infineon-Forschungsgebäude in Villach und die HAK und das BRG in Feldkirchen, wo wir einen europaweiten Architekturwettbewerb gewonnen haben.
Ihre Zwillinge studieren ebenfalls Architektur. Haben Sie Ihnen dazu geraten?
WETSCHKO: Ich habe ihnen weder zu- noch abgeraten. Österreichweit haben heuer 1350 mit dem Architekturstudium begonnen. In Kärnten finden gerade mal 130 Architekten ihr Auslangen. Aber trotz aller Schwierigkeiten ist der Architektenberuf ein toller Beruf. Er ist einer der ältesten und wichtigsten überhaupt. Umweltgestaltung ist ja ein Thema in allen Parteiprogrammen. Nur wird das leider viel zu wenig umgesetzt.
(INTERVIEW: ERWIN HIRTENFELDER)
Verleihung der Kärntner Kulturpreise 2011: 15. 12, 19 Uhr, Stift Ossiach.
Hallenbad-Diskussion im Napoleonstadel Klagenfurt: 20. 12., 17 Uhr.