Kleine Zeitung: Was tun gegen Ghettos im Sozialbau?
Große Wohnsiedlungen leiden oft unter Stigmatisierung – zu Unrecht, wie ein Projekt der FH Kärnten klarstellt.
Bauprojekte haben es an sich, dass verschiedene Interessenlagen aufeinanderstoßen: Bauträgern geht es um Wirtschaftlichkeit, Bewohnern um besten Wohnkomfort und dazwischen stehen Architekten, die einen gemeinsamen Nenner finden müssen. Gerade im sozialen Wohnbau ist das ein Drahtseilakt – mit dem sich ein Studienprojekt der FH beschäftigt hat.
Anhand eines konkreten Entwicklungsvorhabens – der anstehenden Sanierung der Klagenfurter Siebenhügel-Siedlung – haben sich Lehrende und Studierende aus den Feldern Architektur und Soziales eingehend mit den Prozessschritten auseinandergesetzt. „Unser Zugang war es, von einer rein technisch-wirtschaftlichen Betrachtung eines Bauprojekts hin zur menschlichen Perspektive zu finden“, sagt Projektbetreuer Elias Molitschnig.
Die Menschen, die in der Siebenhügel-Siedlung wohnen, sollten Mitspracherecht bei der Neugestaltung ihres Lebensraumes bekommen, so der Anspruch des FH-Teams. Deshalb haben sich die Architekten mit den Kollegen aus dem Studiengang Disability & Diversity Studies zusammengetan.
Das Ergebnis dieser interdisziplinären Zusammenarbeit: „Wir haben keine perfekten Lösungen gefunden, aber Probleme aufgezeigt und thematisiert. Dazu brauchte es den objektiven Betrachtungswinkel der Wissenschaft“, sagt Molitschnig. Vor allem die Stigmatisierung, in wenig beliebten Wohngegenden zu leben, hält er für unbegründet. In den Befragungen wurde klar, dass sich die Bewohner mit ihren Heimen durchaus identifizieren und zufrieden sind. „Daher ist es wichtig, bei Sanierungen solcher Wohnanlagen sensibel und mit Fingerspitzengefühl vorzugehen. Einfach Tabula rasa machen und alles umkrempeln ist der falsche Weg.“
Molitschnig nimmt aber auch die Wohngenossenschaften in die Pflicht, die sich seiner Meinung nach zu stark an wirtschaftlichen Interessen orientieren würden. Dabei würden die Bedürfnisse der Bewohner oft auf der Strecke bleiben – mit teils drastischen Folgen: „Wohnen ist mehr, als die Benutzung eines Raumes, es ist ein Grundbedürfnis. Wird das ignoriert, droht die Ghettoisierung von Sozialbauten.“
Um dem entgegenzuwirken, hofft Molitschnig nun, dass die Ergebnisse des Studienprojekts bei der Umgestaltung der Siebenhügel-Siedlung aufgenommen werden. Das Projektteam will auch weiter im Dialog mit den Mietern bleiben, um gemeinsam an praktikablen Lösungen weiterzuarbeiten.
Projektteam:
Masterstudierende Architektur 3. Semester.
Bachelorstudierende DDS 3. Semester.
Betreuende Architektur: Alexander Hagner, Elisabeth Leitner, Elias Molitschnig, Jürgen Wirnsberger.
Betreuende Disability & Diversity Studies: Barbara Hardt-Stremayr, Susanne Dungs.