Kleine Zeitung_23.01.2014_ Die Abkehr vom Haus im Grünen
Der Vorarlberger Langzeitbürgermeister Josef Mathis (ÖVP) hat seine Gemeinde mit neuer Raumordnung zukunftsfit gemacht. Was Kärnten abschauen könnte.
In Kärnten werden die Gesetze für Raumordnung, also den Umgang mit Grund und Boden, erneuert und damit heiße Eisen wie Zersiedelung und Rückwidmungen von Bau- in Grünland aufgegriffen. Sie haben in Ihrer 3000-Einwohner-Gemeinde Zwischenwasser in Vorarlberg ein Nachhaltigkeitskonzept erarbeitet. Was empfehlen Sie den Kärntnern?
JOSEF MATHIS: Es ist immer notwendig, eine Gemeinde aktiv zu gestalten und nicht nur zu verwalten. Daraus ergeben sich dann Arbeitsschwerpunkte wie Bürgerbeteiligung, Gemeindekooperationen, erneuerbare Energie, Mobilität und anderes.
Sie waren 33 Jahre Bürgermeister, haben mehrfach Flächenwidmungspläne korrigiert und Rückwidmungen von Bau- in Grünland vorgenommen. Wie kann man dieses heikle Thema angehen?
MATHIS: Wir haben klar gesagt, dass wir kein Subzentrum zum Dorfzentrum entstehen lassen und deshalb die Rückwidmungen wollen. Wir haben die Aufwände, die die Grundstücksbesitzer dadurch hatten, großzügig entschädigt, wobei uns das Land mit 50 Prozent unterstützt hat.
Finanz- und strukturschwache Kärntner Gemeinden werden sich das kaum leisten können. Wäre eine Widmungsabgabe hilfreich, durch die Gemeinden Geld kriegen, wenn Grundstücke von Grün- in Bauland umgewidmet werden?
MATHIS: So eine Mehrwertabgabe, wie es sie mit 20 Prozent in der Schweiz gibt, wäre sehr gut. Bei uns ist es nämlich so, dass die Wertsteigerung von Grund und Boden privat ist, die Mehrkosten für Infrastruktur werden aber auf die Allgemeinheit übertragen. Das ist nicht gerecht. Da müsste man bei den Bundesgesetzen den Hebel ansetzen, denn die Landesgesetze richten sich dann danach.
Widmungspläne der Gemeinden sind teils Jahrzehnte alt. Überarbeiten lautet Ihr Tipp?
MATHIS: Unbedingt. Aber nur mit Beteiligung der Bevölkerung. So kann ein Leitbild entstehen.
Kärntner Bürgermeister, die Ihren Vortrag gehört haben, sehen manches skeptisch: Wenn es Rückwidmungen geben soll, können Erben auf dem Gratis-Grundstück nicht bauen und würden deshalb abwandern, Landgemeinden würden so weiter ausgehöhlt.
MATHIS: Als Basis braucht es eine politische Absichtserklärung, ob der ländliche Raum weiterentwickelt werden soll. Die Schweiz hat fünf Zonen zur unterschiedlichen Entwicklung geschaffen. In den Brachen wird nichts mehr gemacht. Landbürgermeistern empfehle ich, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, wenn sie Änderung wollen und gegenüber dem Land aufzutreten.
Bürgermeister argumentieren: Bauernhöfe stehen oft seit Jahrhunderten fern der Zentren, sind mit Straße, Schneeräumung, Wasser und Telefon versorgt. Es bringe keine Mehrkosten für die Gemeinden, wenn rundherum noch ein paar Häuser neu gebaut würden.
MATHIS: Per Gesetz sind Einzelwidmungen möglich. In Zersiedlung ausufern darf das aber nicht.
Ortszentren verdichten und bestehende Bausubstanz nützen, das ist ein neuer Zukunftsansatz auch für Kärnten. Wie kann jemand, der eigentlich ein Haus im Grünen bauen will, überzeugt werden, ins Zentrum zu siedeln?
MATHIS: Indem Gebiete in Randzonen nicht mehr neu als Bauland ausgewiesen werden.
Und der Bürgermeister hat den Druck der Bauwerber: Wenn ich das Grundstück nicht als Bauland kriege, geh ich von hier weg.
MATHIS: In Vorarlberg haben wir das Glück, dass der Altbaubereich viel höher gefördert wird als Neubauten. Das hat viele motiviert, ihre alten Häuser zu sanieren und dort zu wohnen.
Sie appellieren, Gemeinden müssen sich öffentliche Flächen für die Zukunft sichern. Wie soll das eine kleine, finanzschwache Gemeinde schaffen?
MATHIS: Über spezielle Bedarfszuweisungen für solche Projekte.
Wie kann man als Bürgermeister, der 33 Jahre im Amt war, mit einem Konzept, das großflächig Rückwidmungen beinhaltete, mehrfach Wahlen gewinnen?
MATHIS: Man kann den Leuten viel zumuten, wenn sie merken, es ist ehrlich gemeint. Und sie müssen mit einbezogen werden.
(Ein Interview von Andrea Bergmann.)
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