Kurier: "Der bauende Denker wider die Biedermänner"
Architektur. Erinnerungen an einen Widerborstigen: Kärnten ehrt Günther Domenig, der vor 10 Jahren verstarb, umfassend und interdisziplinär an vier Orten
Artikel von Michael Huber
„Der Domenig ist kein Anpassler“, ist an einer Stelle des Interviews zu hören, das im Museum der Moderne Kärnten (MMKK) über einen Bildschirm läuft. Günther Domenig spricht da in bester Cäsaren- Manier über sich selbst, im klaren Bewusstsein, dass es große Ideen und Visionen nicht um den Preis eines Kompromisses gibt. Ob beim Zubau des Klagenfurter Stadttheaters oder bei der epochalen Zentralsparkasse in der Wiener Favoritenstraße, ob bei seinem „Steinhaus“ am Ossiacher See oder bei der Gestaltung einer Altstadtboutique: Wo Domenig Hand anlegte, war auch Reibung mit den bestehenden Ordnungen und ihren Hütern angesagt, oft über Jahrzehnte hinweg. Es ist ein Verdienst, dass nun, zehn Jahre nach Domenigs Ableben und inmitten eines an vielen Orten erstarkenden Duckmäusertums, umfassend an den Widerborstigen erinnert wird. Die Veranstaltung „Domenig: Dimensional“, die bis 16. Oktober an vier Orten in Kärnten stattfindet, ist dabei weit
mehr als eine Architektur- Schau: Vielmehr werden Kernpunkte von Domenigs Denken durch ein Zusammenspiel verschiedener Disziplinen – Fotografie, Tanz, installative Kunst – aktiviert. Angelpunkt Das MMKK in Klagenfurt ist dabei gleichwohl der Angelpunkt: Hier lässt sich Domenigs Laufbahn und seine Bedeutung für Österreichs Geistesgeschichte in einer klug inszenierten Schau (das Konzept entwickelte das Team section.a mit MMKK-Chefin Christine Wetzlinger-Grundnig) mit vielen Querbezügen abschreiten. Der Wille, in bestehende Baustrukturen mit einer eigentümlichen Mischung aus Respekt und (Um-)Gestaltungswillen einzugreifen, wird da gleich zu Beginn als Triebkraft Domenigs offensichtlich. Dass die Eingriffe – am berühmtesten ist jener am ehemaligen NS-Reichsparteitagsgelände in Nürnberg (1998 – 2001) – tiefe Wurzeln in der eigenen Biografie hatten, wird ebenso deutlich: Der 1934 in Klagenfurt geborene und im Mölltal aufgewachsene Domenig laborierte lange an dem Umstand, dass seine Eltern überzeugte Nationalsozialisten gewesen waren, und eignete sich früh eine Aversion gegen das Autoritäre, Gleichmachende, eben das „Anpasslerische“ an. War Domenigs Hang zur großen Geste entsprechend österreichisch-kärntnerisch grundiert, so passierte er doch auch im Kontext einer internationalen Architekturavantgarde, deren Einfluss bis heute spürbar ist. Die MMKK-Schau macht hier einen guten Job, durch wenige, fokussiert ausgewählte Exponate ein Beziehungsnetz zu spinnen – zu Archigram und Peter Cook, Raimund Abraham, Hans Hollein oder Walter Pichler. Ihnen allen war der Wille gemein, über das Zweckmäßige hinaus künstlerische Gestaltung im Medium der Architektur zu betreiben. dank Die Anmerkung, dass diese Szene im Kern ein rumpelnder Männerverein war, tut heutzutage not: Die Schau formuliert auch diese Kritik elegant, indem sie den Architekturwürfen von Domenig & Co räumliche Ideen von Künstlerinnen wie Maria Lassnig, Sonia Leimer und der Gruppe „She Said“ gegenüberstellt. Die Praxis, Architektur in einem ganz direkten Zusammenhang mit dem menschlichen Körper zu denken, trennte Domenigs Werk allerdings schon immer von den rigide-männlichen Setzungen, die so viel Monumentalarchitektur bestimmt. Intensiv-Zelt Das „Steinhaus“, das Domenig zwischen 1986 und 2008 auf einem ererbten Seegrund am Ossiacher See errichtete, war ein Destillat seiner diesbezüglichen Ideen und Erfahrungen, ein „Intensiv-Zelt, das Rettendes, Beschützendes, Nomadisches an einen von der Herkunft diktierten Ort binden will“, wie es der Domenig-Vertraute Christian Reder formuliert. Es ist der Schau auch hier hoch anzurechnen, dass sie nicht nur Baugeschichte nachzeichnet, sondern die Verbindungen von Gedachtem, Erlebtem und Gebautem in den Blick nimmt: Denn letztlich synthetisierte Domenig die Berge und Behausungen seiner Mölltaler Kindheit mit dem Weg zum See und dem Gefühl für Bewegung und Musik – ein grenzüberschreitender Akt, der dem in Kärnten stets gut ausgeprägten Sinn für Grenzziehungen widerstreben, ja bedrohlich vorkommen musste. Ein Performanceprogramm nimmt diesen Anstoß im Rahmen von „Domenig Dimensional“ nun wieder auf. Bei anderen Bauten wie der Zentralsparkasse oder der im Rahmen der Kärntner Landesausstellung 1995 adaptierten „Heft“ im Ort Hüttenberg, die nun nach langem Leerstand wieder zugänglich gemacht wurde, hat die Debatte um eine Re-Aktivierung noch weite Wege zu gehen. Aber erste Schritte wären gemacht.
Veranstaltungen
Domenig Dimensional
Läuft bis 16.10. im Museum Moderner Kunst Kärnten und Architektur Haus Kärnten (Klagenfurt/Wörthersee), in der Heft/Hüttenberg und im
Steinhaus in Steindorf/Ossiacher See. Termine, Führungen: www.domenigdimensional.at
Tanz
Am 30. und 31.7. gastiert das TanzQuartier Wien im Domenig Steinhaus. Performances u. a. von Oleg Soulimenko, Julius Deutschbauer, Karin Pauer & Aldo Gianotti. Anmeldung erforderlich, Eintritt frei.
Buch
„In Resonanz“ (Jovis Verlag, 32 €) kombiniert Bilder, die der Fotograf Gerhard Maurer von Domenig-Bauten in ihrem derzeitigen Zustand anfertigte, mit einem Text der jüngst mit dem Großen Österreichischen Staatspreis geehrten Literatin Anna Baar.
Ein weiteres Buch erscheint im Herbst.