Kärnten bietet österreichweit einzigartige Förderung für gemeinschaftliche Wohnprojekte
Unser Zusammenleben hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Während unsere Großeltern besonders im ländlichen Raum oft gemeinschaftlich in Mehrgenerationenhaushalten wohnten, steigt die Zahl der Einfamilienhäuser und Single-Haushalte stark an. Das ist auf mehreren Ebenen problematisch: Zersiedelung, Bodenverbrauch, Leerstände, steigende Wohnkosten und Vereinsamung im Alter stehen mit dieser Entwicklung im Zusammenhang. Gemeinschaftliche Wohnprojekte können hierauf eine Antwort sein: Dabei findet sich eine Gruppe von Personen zusammen und einigt sich auf ein gemeinsames Wohnprojekt – mit sowohl privaten Wohneinheiten als auch zahlreichen Räumen und Flächen, die gemeinschaftliche genutzt werden.
„Wir wollen mit der Wohnbauförderung flächen- und ressourcenschonende Wohnen fördern, ein gute soziales Miteinander ermöglichen und sicherstellen, dass Wohnen erschwinglich bleibt. All diese Anforderungen erfüllen gemeinschaftliche Wohnprojekte, die wir daher mit einer Initialförderung unterstützen“, erklärte Wohnbaureferentin LHStv.in Gaby Schaunig heute, Montag, bei einer Pressekonferenz in Klagenfurt, und weiter: „Gerade der Anfang von gemeinschaftlichen Wohnprojekten ist fordernd. Es ist daher sinnvoll, von Beginn an mit einer professionellen Begleitung einen stabilen Grundstein zu legen. Unsere Förderung soll einen positiven Impuls für die Schaffung von gemeinschaftlichen Wohnprojekten in der Kärntner Wohnbaulandschaft geben.“
Gemeinschaftliche Wohnformen liegen europaweit im Trend. Oft werden dafür Bestandsobjekte adaptiert, etwa große leerstehenden Höfe, aufgelassene Betriebsstätten, alte Schulen, Zinshäuser oder Kasernen. Durch das Teilen von Flächen wie Gärten und Aufenthaltsräume, einer Werkstatt oder Bibliothek, einer Sauna oder einem Spielplatz entsteht mehr Wohnkomfort für alle bei geringeren Kosten für den einzelnen Haushalt. Die Bewohnerinnen und Bewohner werden zu einer Gemeinschaft, die das Zusammenleben miteinander organisiert.
In Kärnten haben sich bereits erste Projektgruppen gebildet – eine davon, der „Verein gemeinschaftlich Wohnen in Kärnten“, ist zugleich erster Empfänger der Kärntner Baugruppen-Förderung. Vereinsmitglieder Sara Katu und Monika Brenner-Skazedonig erläuterten ihr Vorhaben: „Wir sind derzeit elf Erwachsene mit insgesamt acht Kindern und arbeiten seit rund einem Jahr an unserem gemeinschaftlichen Wohnprojekt“, erklärte Katu. Die erste Phase mit Bildung der Kerngruppe und Vision ist abgeschlossen. Aktuell sucht die Gruppe ein passendes Grundstück im Zentralraum Kärnten – vorzugsweise mit Bestandsobjekt. Die Vorgaben: 3.000 bis 4.000 Quadratmeter Wohnnutzfläche für rund 30 Wohneinheiten, etwa 1,5 Hektar Baugrund, öffentliche Verkehrsanbindung und eine gute Geh- und Radwegeinfrastruktur.
„Wir wollen lebenswerten und leistbaren Wohnraum für viele Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen zu schaffen – sowohl mit privaten Rückzugsbereichen als auch mit vielen Gemeinschaftsbereichen wie Coworking-Spaces, Gemeinschaftsküche, Kinderbereichen, Gemeinschaftsgärten und so weiter. Wir wollen einen Lebens-Wert erschaffen über mehrere Generationen hinweg“, betonte Brenner-Skazedonig. Dank der Initialförderung des Landes Kärnten seit dem Projekt auf einem guten Weg. „Wir können uns damit die nötige Expertise und Begleitung zukaufen“, so Katu und Brenner-Skazedonig.
Das Förderkonzept wurde gemeinsam mit Expertinnen und Experten für partizipative Planung und gemeinschaftliche Wohnformen erstellt, darunter Architekt Roland Gruber. „Baugruppenmodelle werden europaweit als eine der möglichen Zukunftsformen des Zusammenlebens betrachtet“, sagte Gruber und verwies auf den New European Bauhaus Award 2022, der vor wenigen Tagen an das Baugruppenprojekt „Gleis 21“ in Wien verliehen wurde. „Gemeinschaftliche Wohnformen bieten viel mehr als nur Wohnraum – sie sind Impulsgeber für den Ort, die Umgebung, die Region.“ Was ist an einer gemeinschaftlichen Wohnform so anders? „Die Bewohnerinnen und Bewohner sind von Beginn an involviert und handeln sich aus, wie das Projekt aussehen soll; was geteilt wird, was gemeinschaftlich genutzt wird, was individuell gebraucht wird, worauf man verzichten kann. Diese Gruppenbildung dauert Zeit, kostet Geld und braucht Begleitung.“ Kärnten leiste mit seiner Initialförderung „Pionierarbeit“ auf diesem wichtigen Spielfeld des künftigen Zusammenlebens, so Gruber.
Das Fördermodell gliedert sich in drei aufeinander aufbauende Phasen, die insgesamt in 1,5 bis 2 Jahren abgeschlossen werden sollen, die maximale Förderhöhe beträgt für alle drei Phasen gesamt 38.000 Euro (bzw. maximal 75 Prozent der förderbaren Gesamtkosten). Die Projekte sind entsprechend den Zielen der Kärntner Wohnbauförderung zu konzipieren. Nach Abschluss der geförderten Phasen sollten alle erforderlichen Rahmenbedingungen geklärt sein, um rasch in die Umsetzung gehen zu können. Angelika Fritzl, Leiterin der Abteilung 11 – Zukunftsentwicklung, Arbeitsmarkt und Wohnbau: „Wir wollen damit einen positiven Impuls für die Schaffung von gemeinschaftlichen Wohnformen geben. Gerade in der Anfangsphase ist eine solches Projekt eine große Herausforderung. Es braucht Eigeninitiative, Mut und Durchhaltevermögen für den Aufbau einer stabilen Kerngruppe, die Entwicklung eines Leitbilds und die Erarbeitung der finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Die Förderung soll diese Schritte ermöglichen und erleichtern.“
Detailliert aufgeschlüsselt werden alle Projekt- und Förderphasen im „Leitfaden zur Förderung der Entwicklung von gemeinschaftlichen Wohnformen und Baugruppen“, der auf https://www.ktn.gv.at/Service/Formulare-und-Leistungen/BW-L96 abrufbar ist. Alle Infos zu Wohnbauförderung in Kärnten unter wohnbau.ktn.gv.at.
Rückfragehinweis: Büro LHStv.in Schaunig
Redaktion: Matticka/Böhm
20. Juni 2022