„IST GAST GLEICH GAST?“
SymposiumSymposium im Rahmen der Ausstellung FLUCHTRAUM ÖSTERREICH
Dieses Symposium diskutiert die Unterbringung von Menschen auf der Flucht in ehemaligen und noch funktionierenden Tourismusinfrastrukturen in Österreich und die damit verbundenen Herausforderungen für (Asylwerber-)Gast und Gastgeber.
Als Gastfreundschaft wird die Sympathie eines Gastgebers gegenüber seinem Gast, gleich welcher Herkunft oder dem Grund der Inanspruchnahme der Gastfreundschaft, und der damit verbundenen Unterbringung und Bewirtung verstanden. In Österreich wird die überwiegende Mehrzahl der AsylwerberInnen in Gastbetrieben unterschiedlicher Größe und Typologie untergebracht. Vor allem in infrastrukturschwachen Regionen haben Asylwerber heute vielerorts TouristInnen abgelöst. Doch ist Gast tatsächlich gleich Gast? Inwiefern eignen sich Tourismusbetriebe zur Unterbringung von AsylwerberInnen? Ändert sich nur der Gast bei dieser Umnutzung von Gasträumen, nicht aber die Rolle des Gastgebers?
Sowohl touristisch Reisende als auch Flüchtende stehen in ihren Unterkünften auf Zeit in einem engen Beziehungsgeflecht mit ihren jeweiligen Gastgebern. Diese Abhängigkeiten werden durch rechtliche und zwischenmenschliche Pflichten unterschiedlicher Strenge für Gastgeber und Gast sichtbar. Nimmt ein Wirt oder eine Wirtin AsylwerberInnen auf, findet er oder sie sich zumeist in einer Doppelrolle wieder. In dieser ist er/sie als UnterkunftgeberIn für den Betrieb der Unterkunft verantwortlich und wird gleichzeitig zur BetreuerIn von schutzbedürftigen Personen mit besonderen (Wohn-)Bedürfnissen, die sich zumeist nach traumatisierenden Erlebnissen im Fluchtkontext oder in fremdem Lebensumfeld einstellen. Oft stellt der einzig denkbare Umgang mit dieser Situation eine vermehrte Reglementierung der Gastfreundschaft durch die BetreiberInnen dar, wo Möglichkeiten der Raumnutzung und Bewegungsfreiheit vorgeschrieben und klare Verhaltensregeln und Hierarchien festgelegt werden. Eine der wenigen Bestimmungen, welche UnterkunftgeberInnen als Richtlinie dienen, sind die von den Bundesländern festgelegten Mindeststandards der Wohnfläche pro AsylwerberIn. Privater Rückzugsraum und das Bedürfnis nach individueller Freiheit der Lebensführung, wie etwa die Wahl des Zeitpunktes einer Handlung, welche die Mindestanforderungen für ein Gefühl des Wohnens darstellen, sind in den rechtlichen Mindeststandards nicht berücksichtigt. Kann die gebaute Umgebung nicht nur der physischen, sondern auch der psychischen Zuflucht für Flüchtende dienen und Möglichkeitsräume für soziales und politisches Handeln eröffnen, anstatt diese zu verhindern?
Die Notwendigkeit der Beschäftigung mit unterschiedlichen Wohnbedürfnissen von AsylwerberInnen und TouristInnen muss jedoch keineswegs eine strikte Trennung dieser zwei Gästegruppen bedeuten. Dieses Symposium geht deshalb auch den Fragen nach wie sich eine tatsächliche Doppelnutzung von Gastbetrieben durch AsylwerberInnen und Touristen gestaltet, warum diese immer seltener wird und wo die Potenziale der Überlappung von Räumen touristischen Reisens und erzwungener Migration liegen.
PROGRAMM
07. APRIL
18:00 Willkommen und kurze Einführung
Raffaela Lackner, Architektur Haus Kärnten
Nina Kolowratnik und Johannes Pointl, Kuratoren und Lehrende TU Wien
18:10 Die "Flüchtlingspension": Eine österreichische Besonderheit im Wandel
Raimund Pehm, Politik- und Erziehungswissenschafter, Tiroler Institut für Menschenrechte
18:20 Neue Gästegruppen und bauliche Eingriffe für in die Jahre gekommene touristische Betriebe
Stefan Wunderle, Qualitätscoach, Region Bad Kleinkirchheim
18:40 Wohnbedürfnisse auf der Flucht
Lea Soltau, Architekturstudentin, Fluchtraum Österreich 2015, TU Wien
18:50 Richtlinien und Standards in der Versorgung von Asylsuchenden in Österreich
Anny Knapp, Expertin für Asylrecht, asylkoordination österreich
19:00 Flüchtlingsintegrationsprojekt Gasthof Bärenwirt in Weitensfeld, Kärnten
Elisabeth Steiner, Gastwirtin, Gasthof Bärenwirt
19:10 Refugees welcome - Konzepte für eine menschenwürdige Architektur
Peter Haslinger, Architekt und Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Leibniz Universität Hannover
19:30 Diskussionsrunde mit Gastrednern
moderiert von Nina Kolowratnik und Johannes Pointl
20:00 Ausstellungseröffnung von "Fluchtraum Österreich" und „Fremdenzimmer“ (Fotodokumentationsprojekt der Asylwerberunterkunft Gasthof Bärenwirt von Gerhard Maurer)
20:30 Abendessen mit syrischen Speisen (Gasthof Bärenwirt) und Musik von Aref Alwash
08. APRIL
09.30 Uhr Workshop im Ausstellungsraum
Studierende der Architekturlehrveranstaltung Fluchtraum Österreich 2016 präsentieren ihre Recherchendiagramme zu Beziehungen zwischen Asylwerber und Gastgeber, sowie Tourist und Gastgeber. Gastkritiker sind die Symposiumsteilnehmer des Vortages.
Die Ausstellung Fluchtraum Österreich ist von 08.04 – 12.05.2016 im Architektur Haus Kärnten zu sehen.
Öffnungszeiten: Mo-Fr von 09-19.00 Uhr
Eintritt frei!