Würdigungspreis für Baukultur 2010: Napoleonstadel
Würdigungspreis 2010 des Landes Kärnten für Verdienste um die Baukultur an den Verein NAPOLEONSTADEL – KÄRNTENS HAUS DER ARCHITEKTUR mit Preisübergabe an das Ehrenmitglied Architekt Mag.arch. Karl Müller
Laudatio von Arch. DI Gernot Kulterer am 13.12.2010 in der Universität Klagenfurt:
"Guten Abend !
Zwar haben Sie heute schon einiges über Kultur gehört und gesehen. Trotzdem möchte ich Ihnen gerne etwas über die Kärntner Baukultur erzählen.
1975 kam ich nach 15 Jahren aus Wien wieder zurück nach Kärnten.
Die Aktivitäten des Büro 21 und die ersten Bauten von Felix Orsini-Rosenberg hatten mich dazu ermutigt. Und einige Architekturartikel von Horst Ogris.
Aus Wiener Sicht war Kärnten damals ein architektonisches Niemandsland. Am besten beschreibt dies Sonja Gasparin. Sie war Ende der Siebziger Jahre mit Friedrich Achleitner unterwegs. Als seine Assistentin für den legendären Führer „Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert“. Sie schildert ihre damalige Bereisung Kärntens mit Fritz Achleitner wie folgt: täler, hügel, berge, kurven. autochtone bauten, romanische kirchen. fritz wird beim betrachten der kulturschätze und angesichts dessen, dass eine kontinuierliche weiterentwicklung von deren qualitäten nicht auffindbar ist, nachdenklich: „da muss bei den kärntnern eine mutation stattgefunden haben...“ (Zitat Ende).
Kärnten – eine ziemlich dürre Architekturlandschaft also. Auch heute noch: Architektur wird mit überflüssiger Behübschung verwechselt. Oder mit spektakulären Eskapaden von wenigen Stararchitekten.
Symptomatisch: Der Mitte der Neunziger Jahre für die Kärntner Gemeinden zuständige Landesrat in einer Diskussion: „Ich gebe zu, dass wir heute auf Grund von Engpässen auf die eine oder andere Schönheitsorgie verzichten – oft zu Ungunsten der Kultur.“
Was für eine falsche Sicht ! Architektur als Draufgabe für schrullige Kulturfanatiker also, und exzentrische Architekturfreaks!
Die Realität: Kärnten ist so schön, so vielfältig und daher so sensibel. Seine Schönheit ist, wenn einmal zerstört, für immer verloren.
Bauen ist hier deshalb nur dann gut, wenn es diese Landschaft schätzt, schützt und unterstützt. Und möglichst wenig davon verbraucht. Aber genau das Gegenteil ist noch immer der Fall!
Doch zurück in die Siebziger Jahre. Es gab sie doch: eine kleine Gruppe von verschworenen Idealisten. Eine standhafte Zelle im Gegenwind von breiter Ignoranz. Ihr Name: Zentralvereinigung der Architekten. Ihre Rolle: Architektonisches Gewissen des Landes. Ihr Präsident: Architekt Karl Müller.
Wie alle subversiven Gruppen traf sie sich an verborgenen Orten: In Gasthäusern, in Cafés, im Büro des Präsidenten, ja sogar einmal in meiner Wohnung. Gewissenhaft stand danach Rechnungsbericht: „Blumen für Frau Kulterer“.
Vorträge in Hinterzimmern, Ausstellungen in Bankenfoyers: Die Regel hieß: Improvisation.
Karl Müller als Präsident: ¼ Jahrhundert war er das, 9 Perioden lang! Immer wieder stellte er sein Amt für einen Nachfolger zur Verfügung. Immer wieder wurde er von uns bekniet, weiterzumachen. Und immer wieder ließ er sich überreden.
Sein Organisationstalent, seine Fähigkeit, Netzwerke aufzubauen, sein liebenswertes Wesen und seine sympathische, etwas holprige Art: All das war für die kleine, verstreute und individualistische Gruppe von engagierten Architekten so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner.
Und dann sein größter Coup: Der Napoleonstadel.
Vom Denkmalamt bereits aufgegeben, sollte er der Ringverbreiterung weichen. Mit einer kleinen Aktivgruppe und dem Stadtplaner Eberhard Kraigher als Vizepräsidenten und Rückendeckung konnte er schließlich den Stadtsenat davon überzeugen: Kärnten braucht ein Haus der Architektur! Eine Bausteinaktion wurde gestartet, ein Verein gegründet, die Stadt Klagenfurt finanzierte anfangs großzügig mit.
Und am 15. Oktober 1992 war es so weit: Kärntens Haus der Architektur wurde eröffnet. Geschäftsführer vom Anfang an bis heuer: ein anderer Müller, DI Dietmar Müller. Die Bilanz von 18 Jahren: Über 100.000 Besucher, über 300 Vorträge, unzählige Diskussionsabende, Ausstellungen, Workshops, Preisverleihungen, Publikationen, Exkursionen, EU-Projekte; Vernetzung mit überregionalen und internationalen Architekturzentren. Seit 2003 sorgte Architekt Reinhold Wetschko als ZV-Präsident für klare Strukturen und eindeutig formulierte Ziele.
Und jetzt: ein Generationenwechsel. Vor einigen Tagen hat eine breite Phalanx von jungen Architektinnen und Architekten das Ruder übernommen. Das einstige Niemandsland hat sich also bevölkert. Neben der Anerkennung der bisherigen Kulturarbeit soll dieser Preis daher auch ein motivierender Beitrag für den Neustart sein.
Meine Damen und Herren!
Der Mensch ist ein bauendes Wesen. Die Schaffung einer Behausung gehört zu seinen elementaren Bedürfnissen.
Aber leider verändert er mit jedem Bau auch die Natur. Von ihm hängt es ab, wie diese unvermeidliche Veränderung geschieht: mit Banalität, mit Respekt oder gar Poesie.
Denn Bauen kann auch neue Qualitäten schaffen: künstliche Umwelt, die bewegt und inspiriert, ja sogar beglücken kann. Ein Vehikel von der Materie zum Geist sozusagen. Das würde Kärnten verdienen.
Und das Mittel dazu heißt Kultur: Baukultur.
Aber: diese entsteht nur durch Bildung und Information.
Das Haus der Architektur ist also ein Bildungshaus. Das Ziel: statt der dürren Architekturlandschaft grüne Wiesen und – ich wage es nicht zu hoffen - vielleicht sogar einmal blühende Felder!
Dem jungen Team (um Todora Iliova und Sabine Mosser) dazu viel Glück, und dir, Karli Müller, herzlichen Dank !"
(Laudatio von Arch. DI Gernot Kulterer am 13.12.2010 in der Universität Klagenfurt)