Würdigungspreis für Baukultur 2014: Prof. Jochum
Der Würdigungspreis für besondere Leistungen auf dem Gebiet der Architektur und für Verdienste um die Baukultur geht 2014 an die Initiative der Oberdrauburger Althaus Revitalisierungsgesellschaft von Herrn Prof. Jochum.
Laudatio
Würdigungspreis für Architektur und für Verdienste um die Baukultur 2014
Architektin Christa Binder (Vertreterin des Fachbeirates für Baukultur), 07.12.2014
Würdigungspreis für Baukultur 2014
Guten Abend, dober večer!
Als Vertreterin des Fachbeirates für Baukultur darf ich Ihnen heute den Würdigungspreis für Baukultur 2014 an die Initiative der Oberdrauburger Althaus Revitalisierungsgesellschaft von Herrn Prof. Jochum vorstellen.
Der Fachbeirat für Baukultur hat sich in dieser Funktionsperiode den Begriff Raumordnung als Schwerpunkt gesetzt.
Der Begriff Raum wird heute längst nicht mehr als abgeschlossene Einheit gedacht, sondern Räumlichkeit ist zu einem Schlüsselthema der Geistes- und Kulturwissenschaften geworden. Raumverständnis schließt Zwischenräume, soziale Beziehungen, Verknüpfungen und deren Wirkung mit ein.
Wer sich mit wachen Sinnen durch Kärnten bewegt, dem sind die Veränderungen der letzten Jahrzehnte nicht verborgen geblieben. Landflucht, Abwanderung, Verödung von Ortskernen, Zersiedelung, gesichtslose Ortseinfahrten, flankiert von Supermärkten auf der grünen Wiese, die ohne Auto nicht erreichbar sind, all diese Probleme haben auch vor Kärnten nicht halt gemacht.
Und wenn wir uns vorstellen, dass in Österreich jeden Tag mehr als acht Hektar verbaut werden, das entspricht der Fläche von 14 Fußballfeldern (Quelle VCÖ 2013), so ist der verantwortungsvolle Umgang mit unserem Lebensraum umso wichtiger.
Daher möchten wir dieses Jahr ein gelungenes Beispiel für einen baukulturellen Raum und daraus folgernd eine intakte soziale Gemeinschaft fördern und würdigen; eine Initiative, die über Jahre hinweg eine nachhaltige Orts- und Siedlungsentwicklung verfolgt hat und dadurch als Vorbild ein Impulsgeber sein könnte.
Möglich war dies nur, weil ein gemeinsamer Weg gesucht wurde - aus dem Ort für den Ort - und weil eine Person vorhanden war, die im Ort verwurzelt ist, selbst anpackte und heute noch um jedes Haus und dessen Erhaltung kämpft – Prof. Franz Jochum, ehem. Vizebürgermeister, Postamtsdirektor, Museumsleiter und Chronist in Oberdrauburg.
Bereits in den 1970iger Jahren war die Gemeinde Oberdrauburg gefordert, nach dem Hochwasser in den 60iger Jahren, den Ortskern neu zu entwickeln, Fachleute beizuziehen und unter Einbindung der Bürger eine nachhaltige Gesamtplanung zu verfolgen.
Die Gemeinde ging mit gutem Beispiel voran, kaufte ein altes Bürgerhaus am Marktplatz und adaptierte dieses als Rathaus.
Viel Überzeugungsarbeit war zu leisten, um gemeinschaftliche Interessen vor individuelle Interessen zu stellen, um Eigentümer für den Wert der Erhaltung von alter Bausubstanz zu sensibilisieren. Die Nutzung von leer stehenden Gebäuden sollte den Druck auf Bauland an der Peripherie reduzieren und die für einen lebendigen Ort notwendige Infrastruktur im Zentrum erhalten.
Diese Initiative setzte Herr Prof. Jochum ab 2004 selbst als Bauherr fort, und gründete die „Oberdrauburger Althaus Revitalisierungsgesellschaft“.
Private Grund- und Hauseigentümer schlossen sich zusammen, um leer stehende Gebäude im Zentrum einer neuen Nutzung zuzuführen, dadurch die Einwohnerzahl zu vergrößern und mehr Frequenz für die Wirtschaft in den Ortskern zu lenken.
Das Ergebnis:
- Die Einwohnerzahl betrug 2004 im Bereich Kirchgasse, Marktplatz und untere Marktstraße 67; heute sind es 174 Einwohner.
- 25 neue geförderte Wohnungen und 22 neue Wohnungen durch private Bauherren. Errichtung einer Zahnarztpraxis mit 5 Arbeitsplätzen.
- Ein Gestaltungsplan wurde erarbeitet, um wertvolle Substanz zu registrieren, zu erhalten und Fehlentwicklungen zu korrigieren.
- Durch die vielfältige Bau- und Sanierungstätigkeit konnte sich ein Restaurator mit seinem Betrieb und 10 Arbeitsplätzen ansiedeln.
- Innerhalb von 200 Schritten ist es möglich, alle Ansprüche des täglichen Bedarfs zu erfüllen.
- Davon profitieren auch ältere Bewohnerinnen und Bewohner, die in Zukunft in betreuten Wohnungen direkt im Zentrum unter Einbindung des alten Pfarrhofes leben werden.
- Betriebe in der Gemeinde und in der Region profitieren von der regen Bautätigkeit. Jenem Kapital, das an Förderungen lukriert werden konnte, folgte ein viel größerer Teil an privaten Investitionen.
Wie sich Oberdrauburg heute präsentiert, ist kein Projekt spektakulärer Architektur, es ist ein Projekt in vielen kleinen Schritten, die ein Ensemble mit hoher Lebensqualität ergeben. Es ist „communitas“ – Gemeinde, Gemeinschaft, Gemeinsinn im besten Sinn des Wortes.
Nun möchte ich mit einem Sprichwort aus Kenia schließen: “Willst du schnell gehen, geh allein. Willst du weit kommen, geh gemeinsam mit anderen.”
Herr Prof. Jochum, ich gratuliere zum Würdigungspreis für Baukultur 2014!