Würdigungspreis für Baukultur 2020: Josef Klingbacher
Die Kulturpreis-Verleihung fand am 12. Dezember 2020 in Bleiburg statt.
JOSEF KLINGBACHER ARCHITEKT + NEBENERWERBSBAUER
geb. 11-10-1949 St. Paul im Lavanttal
Studium der Architektur an der Akademie der bildenden Künste in Wien, Meisterklasse Roland Rainer
Diplom 1978 Mag.arch.
Josef Frank Stipendiat
Traditionellerweise musste als erstes Studienprojekt in der Meisterklasse Roland Rainer ein Wohnbau in verdichteter Flachbauweise entwickelt werden. Aus bäuerlichem Umfeld und bewegter Landschaft kommend hat sich Josef Klingbacher dem abstrakten Modell solch einer klassischen Flachbausiedlung zunächst verweigert, um sich verdichteten Strukturen zu widmen, wie sie im bäuerlichen Kontext des ländlichen und kleinstädtischen Raumes entstanden waren. Nicht nur diese oft einer komplexen Topografie geschuldeten und somit freieren Lösungen waren Vorbild und Ziel der Befassung, sondern in besonderem Masse das Wollen, verdichtete Strukturen zu schaffen bzw. vorzuschlagen, die durch die jeweiligen Nutzer*innen individuell befüll- und belebbar sein würden, um so die Basis für weitgehende Selbstorganisation legen.
Seine Arbeiten an diesem ersten Projekt zogen sich parallel zu anderen Projekten über die gesamte Studienzeit hin, so, dass es erst gegen Ende des Studiums abgegeben worden ist. Die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema ländlicher Raum und verdichteten Siedlungsformen auch in landschaftlich herausfordernden Zonen brachte Josef Klingbacher nicht nur das Josef Frank Stipendium ein, sondern war die Initialzündung für ein immer auch auf das ortsräumliche Entwickeln ausgerichtete Arbeitsleben, das mit der Gründung des eigenen Architekturbüros in Völkermarkt 1983 begann und nun seinem beruflichen Ausstieg aus der Architekturprofession zustrebt. Keinem Ende zustrebend wird er weiterhin als Nebenerwerbsbauer in St. Paul im Lavanttal tätig sein, dem Ort, den er in baukultureller Hinsicht massgeblich geprägt hat.
Möglicherweise erleichtert Distanz, das gewohnte Umfeld klar und unverstellt wahrzunehmen. Im Falle von Josef Klingbacher hat der Blick von aussen sicher dazu geführt, wenig geschätzte anonyme Bauten als wesentliche Teile der Identität von Orten zu begreifen und diese Werte zu vermitteln, um etliche Objekte neuen Nutzungen zuzuführen und dadurch als Teile einer baukulturellen Gemeinschaft zu erhalten.
Massgebliche Konstituente für seine gelebte Praxis als Architekt sind seine Reiseerfahrungen. Nach dem ersten Weggang von Zuhause, um in Innsbruck zur HTL zu gehen, begeisterte ihn Roland Rainers Befassung mit anonymer Architektur. Studienreisen mit ihm führten in nach Grossbritannien und Finnland, mit Friedrich Achleitner studierte es anhand von Bauaufnahmen die die bauliche Struktur von Apollonia auf der griechischen Insel Siphnos. Zusammen mit Studienkollegen reiste er nach Jugoslawien, nach Bali, Sumatra, Java, Celebes, Timor, Nias, Borneo und Burma, das in den 1970-er Jahren kaum zugänglich war.
Ausgehend von der ersten Kärntner Landesausstellung 1991 in St. Paul („Schatzhaus Kärnten“), die er zusammen mit Architekt Franz Loranzi gestaltet hatte (Ausstellungskurator Mag. Igor Pucker), entwickelten sich umfassende Gestaltungsaufträge, von der gesamtheitlichen Bearbeitung der Ortsgestaltung St. Paul im Lavanttal bis hin zu konzeptionellen Begleitungen von örtlichen Wirtschaftsbereichen.
Vor allem die Ortsgestaltung (einschließlich Verkehrsberuhigung) von St. Paul, als Begleitmassnahme zur Landesausstellung, gab Architekt Josef Klingbacher, abseits von Objektentwicklungen, die Chance in ortsräumliche Entwicklungsbereiche als architektonische Aufgabe einschliesslich deren politische Umsetzungsprozesse (unter Führung des damaligen Bürgermeisters Ignaz Lernbass) direkt einzugreifen. Beispielhaft seien hier das Setzen von hochwüchsigen Laubbäumen als raumbildende Elemente bei Baukörperdefiziten im Ortsraum genannt, oder das bewusste Negieren von Grundgrenzen in Platzbereichen und im Strassenraum, um stimmige Raumabfolgen zu erreichen. Auch wenn derartige ortsräumlich sinnvolle Entwicklungen nunmehr ,30 Jahre später, kaum mehr verstanden werden, und Ortsraum als Kulturbegriff weitestgehend fremd ist, so bleibt diese Grundstruktur - auch wenn sie laufend zerstört wird - trotzdem spürbar erhalten. Nach Sinn und Raum zu fragen ist keine Tugend der gegenwärtigen Zeit.
Aus der Ortsraumentwicklung St. Paul heraus entstand auch die Revitalisierung des Zogglhof (1993), des Ortes der „Mostbarkeiten“. Auf den Konzeptvorschlag von Klingbacher hin einigte sich eine Gruppe von interessierten Bauern darauf, die Qualität der Mostprodukte zu heben, auf Zelte und Einzelinitiativen zu verzichten, und einen gemeinsamen fixen Ort für Verkostungen und Prämierungen anstelle des bis dahin im Stift beheimateten Obstbaumuseums zu schaffen.
Wie überhaupt die Umnutzung von aufgelassenen bäuerlichen Strukturen, zB Ausbauten von leerstehenden Stadeln, zu einem Hauptaufgabengebiet von Architekt Klingbacher wurde (Kulturstadel Maria Rojach, Pfarrstadel Sankt Marein, Wohnen im Stadel Familie Magnet in St. Margarethen, etc. ...).
Konstanz zeigt Josef Klingbacher auch in seiner 35 Jahre währenden Architektentätigkeit mit einer großen Zahl baulicher Interventionen für die Firma Wild, auch eine Folge der Landesausstellung in St. Paul im Lavanttal. Die Gespräche mit dem Bauherrn Herbert Liaunig führten unter anderem sogar dazu, dass dieser sein „Museum Liaunig“ nicht in Innsbruck, sondern in Kärnten ansiedelte.
Klingbacher hat die Architektentätigkeit (seine Formulierung: „Arbeiten im architektonischen Niemandsland“) entsprechend der eingangs erwähnten Studienarbeit nicht nur in der unbedingten gesamtheitlichen Umsetzung vom ersten Entwurfsgedanken über die Detailbearbeitung und Ausschreibung bis zur Umsetzung und Abnahme gesehen, sondern den Architekten auch als Berater, als Lösungshelfer für ortsräumliche Notwendigkeiten oder als Geburtshelfer eines Objektes bis zur Baugenehmigung – natürlich mit dem Nachteil, dass in der Realisierung und Umsetzung Veränderungen in Kauf genommen werden müssen. Das Bauen im ländlichen Raum läuft nun einmal auf diese Art und Weise ab, es ist jedoch immer schön, und spricht für gelungene Kommunikationsarbeit, wenn eine gewisse Grundqualität aus den Beratungen oder Teilplanungen erhalten bleibt. Auf diese Art konnte Klingbacher im Kärntner Unterland doch eine grosse Anzahl von Strukturen und baulichen Umsetzungen für die jeweiligen Bedürfnisse von Menschen entwickeln, immer aus den funktionellen Erfordernissen der Einzelnen auf die ortsräumliche Notwendigkeit hin konzipiert.
Dass Josef Klingbacher durch die Verquickung der beiden Professionen Architekt und Nebenerwerbsbauer die Sprache der bäuerlich geprägten Menschen am Land spricht war und ist die Basis für das Vertrauen, das er geniesst.
Die Spuren, die Klingbacher so gezogen hat, sind kaum auf den ersten Blick sichtbar und nach der Auffassung von Klingbacher auch kaum publizierbar – eine Architekturauffassung zum Spüren und zum Erzählen.
Wohl publizierbar aber wären die Umsetzungen aus seinen Wettbewerbserfolgen und vor allem die grossteils daraus resultierenden Baulichkeiten, die zu Landesbaupreisen geführt haben. (z.B. Zu- und Umbau Schloss Ferlach mit Landesausstellung „Alles Jagd“, Wohnanlage ISG St. Veit, etc., etc.)
Nur: Herzeigen war und ist Klingbacher wohl nicht wichtig.
(Text: Sonja Gasparin 2020-12-15)