Würdigungspreis für Baukultur 2023: Klaudia Ruck und Roland Winkler
Das Prinzip des „positiven Hoffnungsdrucks“!
Laudatio zum Würdigungspreis 2023 für Architektur und Verdienste für die Baukultur des Landes Kärnten an das Architektenteam ROLAND WINKLER & KLAUDIA RUCK.
Winkler Ruck Architekten zählen in vielerlei Hinsicht zu den Ausnahmeerscheinungen in der österreichischen Architekturszene. Das von Klaudia Ruck und Roland Winkler 1994 in Graz gegründete und seit 1998 in Klagenfurt ansässige Büro blickt auf eine bemerkenswerte Erfolgsbilanz. Innerhalb der letzten zehn Jahre haben sie an sechs Museumswettbewerben teilgenommen, davon vier gewonnen und drei als innovatives Weiterbauen, aus einem denkmalgeschützten Bestand heraus, realisiert: Die Schatzkammer Gurk, das Kärntner Landesmuseum im Rudolfinum in Klagenfurt und das am 6. Dezember 2023 wieder eröffnete Wien Museum Neu. Drei herausragende Museen, aber drei komplett unterschiedliche Lösungsansätze, keines gleicht dem anderen, jedes für sich einzigartig.
Die beiden letzteren Museen entstanden in Zusammenarbeit mit Ferdinand Certov. Und Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist eines der Qualitätsmerkmale von Roland Winkler und Klaudia Ruck. Zusammenarbeit als Paar, ohne geschlechterspezifische Rollenzuweisung und auf Augenhöhe. Zusammenarbeit mit einem jungen Team im Büro, das als kreative Gemeinschaft gelebt wird und in der schon die nächste Generation Inklusion findet. Erfolgreiche Zusammenarbeit mit Kolleg*innen und interdisziplinären Expert*innen, um bei hoch komplexen Projekten wie dem Kärntner Landesmuseum oder dem Wien Museum Neu das Wesen des Gebäudes, das Wesen des Ortes herauszuarbeiten. Ohne Eitelkeit und ohne Bestreben nach Selbstverwirklichung. Zusammenarbeit stets auch mit der Umgebung, mit dem urbanen Raum, der Landschaft und den Menschen, die diese Gebäude nutzen. Und ganz wichtig ist ihnen auch, die Zusammenarbeit mit dem Handwerk um stets angemessene und dennoch außergewöhnliche Lösungen in einer hohen, materiellen Qualität, Schlichtheit und Eleganz gemeinsam zu realisieren. Sie sehen ihre Bauwerke als sensible Interventionen, die keinen Anspruch auf Vollendung haben. Gestaltung, die das Ende offenlässt und Bauen als Kontinuum.
Ich kennen kaum Architekturbüros auf diesem Niveau, die so wenig auf Selbstdarstellung und Eigen-PR Wert legen, wie Winkler Ruck Architekten. Vielmehr geht es ihnen um Haltungen, um einen gesellschaftlichen Anspruch und Mehrwert. Über das Wirken des eigenen Büros hinaus setzten und setzen sich Klaudia Ruck und Roland Winkler unermüdlich in vielen unterschiedlichen, zumeist ehrenamtlichen und oft auch unbedankten Positionen für ein baukulturelles Bewusstsein in Kärnten ein: In zahlreichen Jurys, Gestaltungsbeiräten und Ortsbildkommissionen, für die Steinhaus Günther Domenig Privatstiftung oder auch für die hervorragende Institution des Architektur Haus Kärnten.
Denn sie sehen ihren Beruf als Berufung, weil Architektur „den Menschen und ihrem Tun ein Zuhause gibt“. Eine der „schönsten Aufgaben überhaupt“, wie die beiden meinen. Aber eben mit einer großen Verantwortung. Denn Baugeschichte gräbt sich tief in die Realität, oft mehrere Generationen, ein. Welcher Beruf darf solche „Spuren in die allgemeine Erinnerung“ setzen? Daher sei es die Rolle der Architekt*innen die Qualität der Stadt, der Gebäude und der Lebensräume zu sichern. Der Architekt darf nicht zum „Tatortreiniger“ und schon gar nicht zum Erfüllungsgehilfen profitgetriebener Investoren werden. Ein Blick auf das „Betongold“ rund um Kärntner Seen oder auf andere, exklusive Lagen im Land, lässt schnell erkennen, welche Relevanz diese Haltung für unsere Gesellschaft, für unsere Enkelkinder hat. So gesehen ist Baukultur auch Volkskultur!
Architekt*innen müssen die Qualitäten gegenüber jenen, „die Vermögen planen“, gegenüber jenen, die politische Entscheidungen treffen, einfordern. Dafür seien Architekt*innen ausgebildet, auch wenn sie gerade dafür nicht bezahlt werden. „Erahnen was wichtig ist und was nebensächlich“, daraus einen gesamtheitlichen Überblick gewinnen und dann mit Bedacht und Konsequenz „strategisch Leiten“. Diese Position gelte es in der „gesellschaftlichen, rechtlich-normativen Welt zu
implementieren“. Architekt*innen müssen, so Winkler Ruck, Kraft ihrer Ausbildung „das Dazwischen“ beherrschen. Denn Baukultur sei der „Leim, der die unterschiedlichen Bedürfnisse zusammenhalten vermag“. Und aus solchen Bedürfnissen bestehen Stadt, Ort und gebaute Umwelt.
Neben ihrer außergewöhnlichen Architektur haben Winkler Ruck Architekten auch die besondere Gabe ihrer sprachlichen Fassung. Denn auch die Poesie ihrer verbalen Konkretisierung von Problemen und Lösungen, zeichnet sie aus. So begleitet sie, bei ihren Projekten beispielsweise stets „das Prinzip des positiven Hoffnungsdrucks“. Dieses geht von der hoffnungsvollen Grundannahme aus, dass unerwartet auftretende Probleme keine Katastrophen darstellen, die nur Verkrampfung und negativen Stress verursachen, sondern dazu beitragen, ein Projekt noch besser zu machen. Das Prinzip geht davon aus, dass wenn man mit entsprechender Flexibilität und Kreativität im Rahmen derartiger Herausforderungen neue Lösungen und Qualitäten findet, die “Probleme“ in neue Stärken umgewandelt werden können. Möglicherweise ist das die Zauberformel, mit der die Projekte von Winkler Ruck Architekten so wunderbar gelingen.
So gesehen besteht, was die Situation der Baukultur angeht, nicht nur im Land Kärnten, noch jede Menge „positiver Hoffnungsdruck“. Wer aufmerksam die Bausituation rund um den Wörthersee sowie an anderen, exklusiven wie sensiblen Lagen beobachtet, wird noch ein enormes Potential an „künftigen Stärken“ entdecken. Möge der Würdigungspreis Anregung geben durch mutiges, konsequentes und gemeinsames Handeln eine positive Veränderung herbeizuführen!
Möge der Haltungswandel gelingen!
(Volker Dienst 20231210)