Bauen am Land: „Selbstbauen als Selbstverständlichkeit“
Bauen am Land: Teil 9
BAUKULTUR IM KÄRNTNER BAUER
Schwerpunkt im Rahmen vom Baukulturjahr 2021
von der FH Kärnten, dem Architektur Haus Kärnten und der Landwirtschaftskammer Kärnten
von Arch. Dipl.-Ing. Jürgen Wirnsberger, Msc, (Fachhochschule Kärnten)
Seitdem wir Menschen sesshaft wurden und sich die Landwirtschaft entwickeln konnte, baut der Mensch für sich und sein Vieh Häuser. Es gehört also zur Selbstverständlichkeit der bäuerlichen Kultur für seine Bedürfnisse zu bauen – gleichbedeutend mit der generationenübergreifenden Lebensweise am Hof.
Durch das Mitbauen wurden über Generationen Beobachtungen und Erfahrungen weitergegeben und weiterentwickelt. Dies hat auf allen Teilen der Erde eine dem jeweiligen Klima und den verfügbaren Rohstoffen angepasste Alltagsarchitektur hervorgebracht. Eine Baukultur der Pragmatik und Sparsamkeit - aber auch eine Baukultur der Sorgsamkeit! Selbstgebaute Häuser werden stetig gepflegt und wenn notwendig repariert – dies ist Teil des über Jahrhunderte gelebten Verantwortungsbewusstseins.
Für viele Architekt*innen ist diese anonyme „bäuerliche“ Baukultur Inspirationsquelle und Anknüpfungspunkt für das eigene Handeln. Als Architekt*in liegt der Fokus einer landwirtschaftlichen Bauaufgabe neben den rein funktionalen Aspekten vor allem in der maßstäblichen Eingliederung in den Ort, dem respektvollen Umgang mit dem Landschaftsraum und der richtigen Materialwahl.
Gerade in der Landwirtschaft, wo durch neue Rahmenbedingungen und Betriebsgrößen die Ställe immer größere Dimensionen annehmen, ist eine qualitätsvolle und ortsgerechte Planung notwendig! Überdimensionierte Ställe beeinträchtigen nicht nur unsere über Jahrhunderte gewachsenen Landschafts- und Ortsbilder, sie sind meist auch ein Fremdkörper für das Siedlungsgebiet.
Selbstbau
Ein wesentlicher Faktor für die Entwicklung des Selbstbaus ist bis heute das am Hof vorhandene Material. Ob Lehm-, oder Kalkgrube, Bachsteine oder das eigene Holz - aus diesen wenigen Materialien haben sich einfache Bautechniken entwickelt, die über Generationen verfeinert wurden. Material und Konstruktion wurden immer schon so gewählt, dass eine Wiederverwendung möglich war. Diese Idee hat im alpinen Raum das Bauen bis in die 1960er Jahre bestimmt. In Kreisläufen zu denken hat das Baugewerbe in den letzten Jahrzehnten verlernt – erst langsam beginnt man wieder sich, auch auf Grund des Klimawandels, mit dieser Thematik zu beschäftigen.
Bei selbst gebauten Häusern stärkt das Mitwirken, oft im Verbund einer Dorfgemeinschaft, die Beziehung zum Haus, zum Ort und letztlich zu den Menschen. Dies fördert die Bindung untereinander und das Gefühl Teil einer Gemeinschaft zu sein. Ähnliche Erfahrungen konnten Lehrende bei den Architekturstudierenden der FH Kärnten beobachtet, die in Südafrika gemeinsam mit den Menschen vor Ort an zwei Schulen mitgebaut haben. Neben den fachlichen Kenntnissen sind die Studierenden am gemeinsamen Tun gewachsen – haben neue Lebens- und Sichtweisen entdeckt und Freundschaften geschlossen.
Die Kehrseite dieser engen Arbeitsgemeinschaft ist das Konfliktpotential, das im miteinander Bauen vorprogrammiert ist. Kosten- und Zeitdruck sind für alle fordernd. Entscheidungen müssen oft rasch und in Absprache aller Beteiligten getroffen werden. Deshalb ist es um so wichtiger, dass auch bei einem Selbstbau eine fundierte und ausgereifte Planung vorliegt, die die Basis für qualitätsvolle Entscheidungen liefert.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass eine intensive Partnerschaft mit gegenseitigem Vertrauen wesentlich ist für die Umsetzung eines Projektes. Während einer Bauphase gibt es viele Meinungen, die einfließen und diskutiert werden wollen. Die Aufgabe als Architekt*in liegt in der Begleitung dieses Diskussionsprozesses – wir bemühen uns daher alle am Bau Beteiligten anzuleiten damit die verhandelten Wünsche und Atmosphären gemeinsam Wirklichkeit werden. Für ein qualitätsvolles Endresultat ist daher eine partnerschaftliche Gesprächsbasis zwischen Bauherr*in, Handwerker*innen und Architekt*in entscheidend.
Letztlich sollten lebenswerte Häuser entstehen – ob für Menschen oder im Falle des landwirtschaftlichen Bauens für Tiere!
HAUS FÜR BIENEN – Riedernig-Heft in Bayern
Tobias Küke, Architekturabsolvent der FH Kärnten, hat sich im Zuge seiner Diplomarbeit mit einem Haus für Bienen und einer möglichen Umsetzung im Selbstbau beschäftigt.
Heft, ein Hof im Chiemgau, liegt auf einem Hügel zwischen Rosenheim und dem Chiemsee und ist umrahmt von Wald und Wiesen mit Blick auf die Chiemgauer Berge.
Der größte Teil der landwirtschaftlichen Flächen ist verpachtet und wurde 12 Jahre nach Demeter Richtlinien bewirtschaftet. Seit 2016 sind die Wiesen in extensiver Bewirtschaftung durch einen Bio-Heumilch-Betrieb. Die umgebenden Wiesen besitzen daher eine große, natürliche Artenvielfalt mit vielen essbaren Wildkräutern.
Seit einiger Zeit nutzt ein Imker diesen Ort für seine Bienenvölker. Das Handwerk des Imkerns stieß bei der Besitzerin des Hofes auf großes Interesse, und so entstand der Wunsch, dieses Handwerk selbst zu erlernen und dafür einen geeigneten Ort zu schaffen - ein Bienenhaus.
Dieser Aufgabenstellung hat sich Tobias Küke in seiner Diplomarbeit angenommen. Der Prozess beginnt beim intensiven Studium der Lebensweise der Bienen und deren Bedürfnisse sowie der Analyse der Arbeit eines Imkers und der theoretischen und praktischen Auseinandersetzung mit den traditionellen Baustoffen Lehm und Holz, die sich für den geplanten Selbstbau als Konstruktionsmaterial am geeignetsten erwiesen.
Der Ort verlangt trotz kleiner Bauaufgabe nach einem sensiblen Umgang. Zum einen spielt die Wahl des Materials eine entscheidende Rolle, zum anderen die Tatsache, dass es sich um einen Selbstbau handelt und daher die entsprechende Bauweise gewählt werden soll.
Aus der Betrachtung ursprünglicher, traditioneller Bauweisen kommt die Erkenntnis, den Baustoff Lehm als „Füllmaterial“ zu verstehen und ihn in Kombination mit einer Tragstruktur aus Holz zu verarbeiten. Die weitere Entscheidung den Lehm in Form von Lehmwickel als Ausfachung zu benutzen, beruht auf der Tatsache, dass diese besonders einfach zu handhaben sind und sich daher bestens für einen Selbstbau eignen. Die biologisch positiven Eigenschaften des Lehms erlauben es, ihn mit bloßen Händen zu verarbeiten. Außerdem kann der Lehmwickel mit minimalem Einsatz von Werkzeugen leicht von 1-2 Personen in Tischhöhe als Module vorgefertigt und später verbaut werden.
Überraschend war die Tatsache, dass Stroh, welches für Lehmwickel genutzt wird, nämlich möglichst langes Stroh, Mangelware ist. Dadurch, dass fast das gesamte Stroh heut zu Tage gehäckselt und als Streu im Stall benutzt wird, musste das benötigte Stroh erst gefunden werden – letztlich ist man auf Ebay fündig geworden!
Planende müssen auf funktionelle Abläufe und Bedürfnisse von Menschen achten und reagieren. Diese Herangehensweise ist auch bei einer kleinen Bauaufgabe wie einem Bienenhaus wichtig. Zum Beispiel sollte das Ausflugsloch der Bienen am besten Richtung Südosten ausgerichtet sein. So haben die Bienen recht früh aber auch möglichst lange Sonne – was sie produktiver macht. Außerdem sollte die Ausrichtung so gewählt werden, dass diese nicht zur Hauptwindrichtung liegt.
Rückblickend kann das Bienenhaus durch das gemeinschaftliche selber Bauen als Exempel einer langsamen Architektur - in Anlehnung an „Slow Food“ - gesehen werden. Ohne wirtschaftlichen Zeitdruck entstand in freundschaftlicher Atmosphäre ein aus dem Ort entwickeltes Haus für Bienen, bei dem sich alle Mitwirkenden nach Tatkraft und vorhandenem Wissen und vollstem Engagement eingebracht haben.