Kleine Zeitung_30.09.2011_billig bauen
Kosten Wahrheit
Günstig bauen will jeder. Wie das funktionieren könnte, erläuterten Experten beim ersten „billig bauen“-Symposium im Klagenfurter Napoleonstadel.
Warum wollen wir Einfamilienhäuser?
Es geht darum, Eigentum zu schaffen, es geht um das grüne und auch um das soziale Umfeld. Außerdem geht es um die Selbstverwirklichung“, so Erich Dallhammer, Geschäftsführer des Österreichischen Instituts für Raumplanung. Er zeigte beim ersten „billig bauen“-Symposium im Klagenfurter Napoleonstadel auf, warum Einfamilienhäuser so beliebt sind, obwohl sie hohe Kosten – die die Steuerzahler tragen müssen – verursachen. Ein großes Problem, so Dallhammer, sind die Folgekosten des Häuschens im Grünen. „Wenn wir von einer durchschnittlichen Pendlerfamilie ausgehen, deren Wohnort 30 Kilometer vom Arbeitsplatz entfernt ist, kommen wir auf Kosten von bis zu 6000 Euro – nur für das Auto und den Treibstoff – pro Jahr für den Privaten. Hinzu kommen Folgekosten für die Gemeinde, die die Infrastruktur bereitstellen muss“, veranschaulichte Dallhammer. Wenn ortskernverdichtet gebaut wird, könne die Hälfte der Kosten gespart werden. Dallhammer nimmt die Gemeinden in die Pflicht, die sich zum Beispiel Umwidmungen von Ackerflächen in Bauland nicht mehr leisten werden können, weil die Erschließungskosten für neue Siedlungen zu hoch werden. Umdenken Provokativ – auch mit drei Filmen unter den Titeln „Traumhaus“, „Gegendverkehr“ und „Verdämmung“ – wollten die Architekten Roland Winkler, Harald Weber und Georg Wald vom „Haus der Architektur“ darstellen, wie teuer „billig bauen“ werden kann. Beim Symposium zum Thema sollten die geladenen Experten Tipps geben und zum Umdenken anregen. Horst Gamerith, der Professor prägte zwei Generationen von Architekten in Österreich, wies darauf hin, dass man sich auf das Wesentliche und die Einfachheit konzentrieren müsse: „Der neue Baustil heißt Ökologischer Rationalismus. Wir müssen uns wieder darauf konzentrieren, weniger Baustoffe zu verwenden und die Fragen woher, wozu und wohin zu beantworten.“ Außerdem warnte Gamerith vor den Folgen des Baustoffmixes: „Das Problem der Folgegeneration wird das Demontieren sein. Die Entsorgung ist eine Herausforderung, die noch nicht gelöst ist.“
Dem Thema Verkehr und Straßenbau widmete sich der pensionierte Straßenplaner Helmut Lang: „Es ist unsere Aufgabe, die Zukunft sinnvoll zu gestalten. Als Grundlage dient oft der Zustand der Gegenwart.“ Kärnten weise eine starke Zersiedelung auf, der man entgegenwirken müsse. Die Architekten waren sich einig, es müssen Orte und nicht nur Häuser geplant werden. Leider nahm keiner der politischen Entscheidungsträger in Sachen Ortsbildplanung Stellung zur Problematik. „Das ist bedauerlich, dass keiner der geladenen Politiker teilgenommen hat, doch wir werden weiter um Gehör kämpfen, schließlich geht es um unser aller Zukunft und darum, die wenigen übrig gebliebenen Ressourcen der Kulturlandschaft sicherzustellen“, so Wald und seine Kollegen. Forderung nach Änderung Ein wesentlicher Punkt der Diskussion war auch die Wohnbauförderung: „Vieles beim Bauen wird durch gesetzliche Bestimmungen erschwert, anderes wiederum ist völlig ungeregelt. Es wäre sinnvoll, städteverdichtendes Bauen mehr zu fördern als falsche Dämmung.“
BILLIG BAUEN
Veranstalter. Das „Haus der Architektur Kärnten“ lud zum Symposium „billig bauen“ in den Klagenfurter Napoleonstadel.
Das war die Auftaktveranstaltung des Themenjahres „billig bauen“.
www.architektur-kaernten.at
Video. Die Kurzfilme „billig bauen“ sind noch bis Samstag
im Napoleonstadel zu sehen. Außerdem kann man sich die
Filme im Internet ansehen:
www.billigbauen.info
„In St. Michael wurde es richtig gemacht“
St. Michael ob Bleiburg ist ein gutes Beispiel für richtige Planung und Gestaltung.
MUSTERGÜLTIG
Es war ehrlich gesagt schwer, ein positives Beispiel für Kärnten zu finden“, sagt Georg Wald, Vorstand „Haus der Architektur“. Doch es gibt einen Ort, der es verdient, hervorgehoben zu werden: St. Michael ob Bleiburg. „Dort ist es so, dass die öffentliche Infrastruktur – vom Kindergarten über die Volksschule bis hin zum Gemeindezentrum und den Wohnbauten im Ort – im bestehenden Ortskern verdichtend ergänzt wurde“, lobt Wald. Vor allem die Architekten-Familie Wetschko zeichnet von St. Michael bis Bleiburg verantwortlich für diese positive Entwicklung. „Es gibt ein kompaktes Erscheinungsbild, bei dem unnötige Fahrten mit dem Auto vermieden werden können. Die meisten Familien leben und arbeiten in einem Umfeld, das zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichbar ist“, sagt Wald. Außerdem sei auch der Nahversorger direkt in das Ortsleben integriert. Wald hebt auch die Stadt Gmünd lobend hervor. „Die historischen Gebäude wurden gut saniert“, so Wald. Vor allem die Seegemeinden hätten Aufholbedarf, was die Ortsplanung und -entwicklung angehe. „Zusätzliche Streusiedlungen oder Siedlungssplitter, wie sie in Kärnten leider häufig zu finden sind, fördern die Autoabhängigkeit und damit höhere Lebenskosten“, so Wald. Eine Qualitätssicherung könne man auch zum Beispiel durch die Durchführung von Architekturwettbewerben bei Kommunalbauten und im Wohnbau ab vier Wohneinheiten besser gewährleisten. (Text: MELANIE FANZOTT)
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