Resolution des Kärntner Kulturgremiums zu Fragen von KULTUR / RAUM / LANDSCHAFT
AUFRUFRESOLUTION des KÄRTNER KULTURGREMIUMS zu Fragen von KULTUR / RAUM / LANDSCHAFT
Entwicklungen und deren Auswirkungen, die schon vor 50 bis 60 Jahren vorhergesagt wurden, sind eingetreten und beunruhigen alle, die damit fast tagtäglich konfrontiert werden.
„….. In der Betrachtung der baukulturellen Landschaft Kärntens verdichtet sich seit langem eine besondere Geschichte und damit auch besondere Verhältnisse. Um nichts besser macht es der Umstand, dass diese Geschichte auch andernorts zu finden ist. Es geht augenscheinlich um Interessen, die weitab einer gesamtgesellschaftlich gedeihlichen Entwicklung liegen. Die Offensichtlichkeit dessen lässt einen angesichts so mancher Bauvorhaben immer wieder erschrecken. Chaletdörfer sprießen wie Schwammerl aus den Bergen, Apartmentburgen bieten sich als sichere Geldanlage an und Großinvestoren scheinen gute Verbindungen zur öffentlichen Hand zu haben. Die großteils miserable Bauqualität lässt sich gut hinter aufgeklebten oder vorgehängten Fassaden verstecken. Die Geschichte, die sich in diesen Objekten einschreibt, ist die Geschichte der Individualisierung und vermeintlichen Logik der kapitalistischen Verwertung von Grund und Boden, ohne sich um Gemeinschaft oder die Folgen für die nachkommenden Generationen zu scheren.
Suchend schaut man sich nach etwas um, das diesen Entwicklungen entgegentritt und Ratlosigkeit macht sich beim genaueren Blick Richtung Politik breit. Warum dieses so wichtige Thema nicht grundlegend und breit politisch diskutiert und in Angriff genommen wird, lässt sich wohl auch nur mit wirtschaftlichen Interessen erklären, die Einfluss auf Politik haben. Es gibt keinen anderen Grund für die Beharrungstendenzen, der vernünftig argumentierbar wäre." Robert Schabus
Die nun laufende Diskussion über die Bebauung von bis dato unberührten oder kaum berührten Naturräumen und die Ziele der Investoren, Zweitwohnsitze oder Chaletdörfer/Almhäuser zu errichten, darf den Fachbeirat demgemäß nicht "kalt" lassen, ebensolches gilt für die Zersiedelung in Form ausufernder Einfamilienhaus-Bebauungen, die nach wie vor zunehmende Bodenversiegelung u. a. durch Ausweitung neuer EKZ-Flächen, die massiven Bebauungen entlang der Kärtner Seen. Entsprechend unserer Verpflichtung gegenüber dem Land Kärnten sehen wir uns erneut veranlasst hier informierend und warnend aufzutreten.
Zwölf Fragen an das Land Kärnten wurden aus einer Diskussion des Kulturgremiums, die vom Fachbeirat für Baukultur initiiert wurde, herausdestilliert und als Resolution am 27. 6. 2022 beschlossen. Das KKG erwartet sich Antworten und Umsetzung in Maßnahmen und aktives Tun:
1. *Warum kann bei Widmungsentscheidungen in Gemeinden (besonders bei denen Grünland in Anspruch genommen werden soll) bei touristischen und sonstigen Großprojekten nicht die Bevölkerung vorort in diese Entscheidungen verpflichtend einbezogen werden?
2. *Warum kann das Land Kärnten bei den im K-ROG 2021 geregelten Überprüfungen nicht strikter und entschlossener bei der Einhaltung der Grundsätze und Ziele der Raumordnung in angesprochenen Problemfeldern bei den Überprüfungen der örtlichen Entwicklungskonzepte, der Flächenwidmungs- und der Bebauungsplananträge gegenüber den antragstellenden Gemeinden vorgehen? (dies orientiert sich an den 2020 beschlossenen baukulturellen Leitlinien, sowie an den Zielsetzungen des 4. Baukulturreports 2021. Weiters sollten in der Zusammensetzung des Raumordnungsbeirates 2 FachexpertInnen für Raumordnung und Baukultur berücksichtigt werden)
3.*Aus welchen Gründen soll es für das Land Kärnten nicht möglich sein den Schutz und damit Erhalt nicht versiegelter Böden, samt ihrer naturräumlichen Diversität vor expandierender wirtschaftlicher und/oder touristischer Inanspruchnahme eindeutig zu priorisieren? (wie österreichweit und international bekannt, ist Kärnten „Versiegelungsweltmeister“, was in allen damit zusammenhängenden Belangen wirksam zu bekämpfen ist).
4.*Warum können Gestaltungsbeiräte in Gemeinden einer gewissen Größe nicht gesetzlich verpflichtend vorgeschrieben werden? – und in erster Linie für Kleingemeinden gedacht, eine fliegende Beratungskommission, die sich aus externen Mitgliedern zusammensetzt, vom Land Kärnten installiert werden (Modifizierung Ortsbildpflegegesetz und Bauordnung), wie seit mehreren Jahren gefordert? (Beispiel Südtirol/Unterlagen wurden übergeben oder auch Hinweis auf unabhängigen Sachverständigenrat in Vorarlberg, LGBl Nr. 28/2011)
5.*Ist es nicht erstrebenswert eine verpflichtende Fortbildung der Gemeinderäte und Bürgermeister bezüglich Auswirkungen raumbedeutsamer Vorhaben von Seite des Landes Kärnten festzulegen? (eine Schulung ergäbe die bessere Möglichkeit potentielle Nutzungskonflikte vorweg zu erkennen und vermeiden. Gemeinden würden so indirekt unterstützt sich gegenüber Bauträgern zu positionieren und damit unvorteilhaften Bodenverbrauch zu reduzieren)
6.*Ist es nicht schon längst an der Zeit, dass Gemeinden für Projekte ab sofort eine klar argumentierte Kosten/Nutzen-Rechnung (auf Basis Lebenszykluskosten) zu erarbeiten haben, um an Mittelzuweisungen des Landes für Infrastrukturmaßnahmen und sonstige Förderungen zu kommen?
7.*Warum wird nicht die Vorbereitung (Projektphase 0) vor Wettbewerben als Standard etabliert und warum werden Wettbewerbe nicht nur für öffentliche und geförderte Bauvorhaben des Landes und der Gemeinden vorgesehen, sondern auch für Investorenprojekte verbindlich gemacht, die städtebaulich relevant sind? – und warum enthalten Wettbewerbe nicht jeweils verpflichtend Landschaftsplanung als Projektbestandteil?
8.*Wie sind aus Umweltschutzgründen notwendige Energieerzeugungen aus Windkraft und Photovoltaik landschafts- und ortsbildverträglich, sowie ökologisch sinnvoll zu ermöglichen? (Photovoltaik: Förderung der Konzentration auf wirksame Gemeinschaftsanlagen als schattenspendende Parkplatzüberdachungen, insbesondere auf Großparkplätzen, auf Bahnsteigdächern, an Schallschutzwände, Dachanlagen auf Industrie und Gewerbebauten. Einkaufmärkten u.v.m. – Windkraft versus Landschaft: daher begrenzter Einsatz, bzw. Kompensation durch andere Art der Energieerzeugung und wirksame Maßnahmen gegen Energieverschwendung)
9.*Wie kann ökologisch orientierte Altbausanierung (im Zusammenwirken mit der versprochenen Ortskernstärkung) eindeutig Vorrang in allen wesentlichen Förderungsmaßnahmen gegenüber Neubau erlangen und speziell, wenn dieser zentrumsfern oder an Siedlungsränder ausgelagert wäre?
10.*Welche Art touristischer Erschließungen sollen wo in Kärnten noch zugelassen werden? (Die überörtliche Raumordnung lt. § 7 Überörtliche Entwicklungsprogramme des K-ROG 2021 eröffnet die Möglichkeit von Festlegungen. Das Land Kärnten hat diesbezüglich lediglich ein Entwicklungsprogramm bereits 1977 für den Kärntner Zentralraum erlassen?)
11.*Ist eine Einrichtung eines landesweiten „Widmungsfonds“ nicht längst überfällig in den die durch eine Umwidmung von Grünland in Bauland entstehende enorme Wertsteigerung für den Grundeigentümer zu einem wesentlichen Teil eingezahlt werden muss? Dies würde die Möglichkeit eröffnen anderenorts Rückwidmungen von zu viel geschaffenem Bauland in Grünland und die damit verbundenen Rückerstattungen zu finanzieren.
12.*Warum kann das Land Kärnten nicht als eines der ersten Bundesländer in Kooperation mit dem Bund gehen, analog der diesbezüglichen Strategie des vierten Baukulturreports aus dem Jahr 2021, der die Schaffung einer AGENTUR FÜE BAUKULTUR vorsieht, die die Voraussetzung für ein umfangreiches Förderprogramm für zeitgemäße und historische Baukultur bilden wird? (siehe Gesprächsrunde am 1. 6. 2022/Veranstaltung „Raum für Baukultur“ des OREK Umsetzungspaktes 2030 im Amt der Kärtner Landesregierung. Die Förderungen würden zu ca. 80% die Umsetzung von Gemeinde-Projekten und zu ca. 20% Weiterbildung, Schulungen, Vermittlung und wissenschaftliche Bearbeitungen betreffen)
Abschließend: Wir sehen den sorgsamen Umgang mit KULTUR / RAUM / LANDSCHAFT auch als wesentlichen Punkt der neu zu erarbeitenden „Kärntner Kulturstrategie“. Ein Herauslösen einzelner Bereiche aus ihrem gegenseitigen Zusammenhang oder ihre Vernachlässigung ist nicht vorstellbar und wäre überhaupt nicht sinnvoll! Es ist das eine permanente Aufgabe, der wir uns stellen müssen.
Für das Kärntner Kulturgremium: Erich Schwarz, Vorsitzender des Kärntner Kulturgremiums
Ansprechperson: Peter Nigst, Vorsitzender des Fachbeirates für Baukultur des Kärntner Kulturgremiums
(Peter. Nigst@gmail.com, Mobil: 0664/75145934)